Umsatzsteuerliche Leistungen
Umsatzsteuer
Im Umsatzsteuerrecht spricht man von "Lieferungen" und "sonstigen Leistungen". Beides zusammen nennt man "Leistungen". Wichtig ist: Immer wenn ein Unternehmer einem Kunden einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft, liegt eine Leistung vor.
Allgemeines zu Umsatzsteuerlichen Leistungen
Ob eine Leistung der Umsatzsteuer unterliegt, hängt von mehreren Faktoren ab:
- Wo wird die Leistung erbracht?
- Wann findet sie statt?
- Ist sie steuerpflichtig oder befreit?
- Welcher Steuersatz gilt?
Haupt- und Nebenleistungen
Oft werden mehrere Leistungen zusammen erbracht. Dann gilt:
- Die Hauptleistung bestimmt den Charakter der Gesamtleistung.
- Nebenleistungen sind eng damit verbunden und ordnen sich der Hauptleistung unter.
Beispiel: Beim Kauf eines Handys ist das Ladegerät meist eine Nebenleistung, es folgt umsatzsteuerlich dem Handy.
Lieferung
Eine Lieferung bedeutet, dass der Kunde Verfügungsgewalt über einen Gegenstand erhält. Er kann also wie ein Eigentümer damit umgehen und es nutzen, verkaufen etc.. Lieferbar sind grundsätzlich körperliche Gegenstände (z. B. Maschinen, Autos, Möbel). Die Lieferung gilt dann als ausgeführt, wenn der Kunde tatsächlich Zugriff hat. Das juristische Eigentum spielt dabei nur eine Nebenrolle.
Besonderheiten beim Leasing
Leasing ist nicht gleich Lieferung! Beim Finanzierungsleasing kann es ausnahmsweise zu einer Lieferung kommen, aber nur, wenn:
- der Vertrag eine Kaufoption enthält und
- der Leasingnehmer den Gegenstand wirtschaftlich wie ein Eigentümer nutzt.
In allen anderen Fällen liegt eine sonstige Leistung vor, also eine reine Nutzung gegen Zahlung.
Übergang der Verfügungsmacht
Die Verfügungsmacht geht In den meisten Fällen über:
- Bei beweglichen Sachen durch Übergabe (§ 929 BGB),
- Bei Immobilien durch Eintragung im Grundbuch (§§ 873, 925 BGB).
Aber: Es gibt Ausnahmen, z. B. wenn der Käufer die Sache schon hat oder nur ein Anspruch übergeben wird (§§ 930, 931 BGB). Auch dann kann eine Lieferung vorliegen. Wichtig: Auch bei Lieferung unter Eigentumsvorbehalt (z. B. Ratenkauf) gilt die Lieferung als ausgeführt und die Umsatzsteuer wird sofort fällig.
Sicherungsübereignung - kein Eigentum, keine Lieferung
Wenn ein Unternehmer eine Sache zur Sicherung eines Kredits übereignet, bleibt er meist selbst im Besitz. Das reicht nicht für eine Lieferung. Eine Lieferung entsteht erst, wenn die Sache verwertet wird (z. B. Verkauf an Dritte).
Dann liegen oft zwei Lieferungen vor:
- vom Sicherungsgeber an die Bank,
- von der Bank an den Käufer.
Kommissionsgeschäft
Beim Kommissionsgeschäft verkauft ein Händler (Kommissionär) Ware im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen (Kommittent).
Ergebnis: Es gibt zwei umsatzsteuerliche Lieferungen:
- vom Kommittenten an den Kommissionär,
- vom Kommissionär an den Kunden.
Unterschied zum Vermittler: Der Vermittler bringt nur die Parteien zusammen und handelt nicht im eigenen Namen.
Sonderfälle von Lieferungen
Bei den Lieferungen gibt es einige Sonderfälle:
- Innergemeinschaftliches Verbringen (§ 3 Abs. 1a UStG): Wenn ein Unternehmer Waren von Deutschland ins EU-Ausland bringt und nicht verkauft, sondern nur verlagert, gilt das trotzdem als Lieferung. Es wird in einem eigenen Abschnitt behandelt.
- Unentgeltliche Entnahmen (§ 3 Abs. 1b UStG): Auch wenn ein Unternehmer Ware verschenkt (z. B. an Mitarbeiter), kann das wie eine Lieferung gelten, wenn für die Ware Vorsteuer gezogen wurde. Dazu gehören:
- Entnahme für private Zwecke
- Geschenke an Mitarbeiter, außer Aufmerksamkeiten
- Geschenke an Dritte, wenn der Wert größer als 50 € ist
- Elektronische Schnittstellen (§ 3 Abs. 3a UStG): Online-Plattformen wie Amazon oder eBay gelten bei bestimmten Verkäufen aus dem Drittland in die EU als selbst Lieferant, obwohl sie nur vermitteln. Es werden fiktiv zwei Lieferungen angenommen:
- vom Händler an die Plattform
- von der Plattform an den Kunden
Werklieferung (§ 3 Abs. 4 UStG)
Eine Werklieferung liegt vor, wenn ein Unternehmer einen fremden Gegenstand bearbeitet und dabei eigene Hauptstoffe verwendet. Wichtig ist, dass der Unternehmer die Materialien selbst beschafft - also im eigenen Namen kauft und liefern lässt.
Gehaltslieferung (§ 3 Abs. 5 UStG)
Gehaltslieferungen entstehen, wenn bei der Bearbeitung eines Gegenstands Abfälle oder Nebenerzeugnisse entstehen und der Kunde diese zurückgibt. Diese Rückgabe ist nicht Teil der eigentlichen Lieferung, aber steuerlich besonders geregelt.
Sonstige Leistungen
Das Umsatzsteuergesetz unterscheidet zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen. Alles, was keine Lieferung ist, gilt als sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG).
Typisch für sonstige Leistungen ist ein aktives Tun, z. B.:
- Beratung
- Dienstleistung
- Reparatur
Aber auch ein Dulden oder Unterlassen kann eine sonstige Leistung sein. Beispiele dafür sind:
- die Vermietung (Dulden der Nutzung)
- die Unterlassung einer Handlung gegen Geld
Wichtig: Meist sind sonstige Leistungen auf einen längeren Zeitraum ausgelegt, z. B. Miete oder Lizenzen.
Lieferung oder sonstige Leistung?
Ob eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt, entscheidet sich im Einzelfall. Entscheidend ist:
- Was bekommt der Kunde?
- Wie sieht das Gesamtpaket aus?
Erbringt ein Unternehmer mehrere Leistungen, muss geprüft werden, ob es sich um eine einheitliche Leistung handelt oder um mehrere einzelne Leistungen. Maßstab ist dabei immer die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers.
Unentgeltliche sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9a UStG)
Das Gesetz stellt bestimmte kostenlose Leistungen so, als wären sie gegen Entgelt erbracht. Das nennt man unentgeltliche Wertabgabe.
Zwei Fälle sind relevant:
- Nutzung eines Unternehmensgegenstands für private Zwecke
- Kostenlose Dienstleistungen an Mitarbeiter oder für private Zwecke
Voraussetzung für die Steuerpflicht:
- Der genutzte Gegenstand oder die Leistung gehört zum Unternehmen.
- Es wurde bei Anschaffung Vorsteuer gezogen.
Nicht steuerpflichtig sind hingegen Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb mit einem Firmenwagen und Leistungen, für die keine Vorsteuer gezogen wurde.
Bemessungsgrundlage
Was wird als "Wert" für die Steuer angesetzt?
- Bei Dienstleistungen: entstandene Kosten
- Bei Nutzung eines Gegenstands: Anschaffungs- oder Herstellungskosten
Ab 500 € auf mehrere Jahre zu verteilen (Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG)
Werkleistung (§ 3 Abs. 10 UStG)
Eine Werkleistung liegt vor, wenn ein Unternehmer einen vom Kunden bereitgestellten Stoff verarbeitet, ohne eigene Hauptstoffe zu verwenden.
Beispiel: Der Kunde bringt Stoff in eine Schreinerei, dort wird daraus ein Tisch gebaut. → Werkleistung.
Wichtig: Die Abgrenzung zur Werklieferung (§ 3 Abs. 4 UStG) ist entscheidend:
| Werkleistung | Werklieferung |
| Kunde liefert Hauptstoff | Unternehmer liefert Hauptstoff |
| Unternehmer erbringt nur die Arbeit | Unternehmer bringt auch Material ein |
| Fokus liegt auf der Dienstleistung | Fokus liegt auf dem fertigen Produkt |
Für die Bewertung ist entscheidend, wie der Leistungsempfänger das Ganze sieht. Es zählt also: Ist für den Kunden die Lieferung einer Sache oder die Dienstleistung entscheidend?
Leistungskommission nach § 3 Abs. 11 UStG
Bei der sogenannten Dienstleistungskommission ist ein Unternehmer (Kommissionär) eingeschaltet, der im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung eine sonstige Leistung erbringt oder einkauft.
Ergebnis: Es werden zwei Leistungen fingiert:
- Der "Auftraggeber" (Kommittent) erbringt eine Leistung an den Kommissionär.
- Der Kommissionär erbringt dieselbe Leistung an den Endkunden.
Beispiel: Ein Reiseveranstalter verkauft eine Pauschalreise über einen Vermittler, der die Leistung im eigenen Namen anbietet. Hierbei handelt es sich um eine Leistungskommission.
Achtung: Zivilrechtlich gibt es diesen Begriff nicht, die Regelung ist rein umsatzsteuerlich.
Es wird also in zwei Varianten unterschieden:
- Leistungsverkauf: Der Kommissionär erbringt die Dienstleistung an den Kunden.
- Leistungseinkauf: Der Kommissionär beauftragt eine Dienstleistung bei einem Dritten.
Besondere elektronische Dienstleistungen (§ 3 Abs. 11a UStG)
Wenn ein Endkunde digitale Dienstleistungen über seinen Netzbetreiber (z. B. Mobilfunkanbieter) bezieht, wird dieser umsatzsteuerlich als Leistender behandelt.
Ziel dieser Regelung ist:
- Die Besteuerung soll im Land des Verbrauchs erfolgen.
- Der Netzbetreiber hat die nötigen Informationen zur richtigen Steuerermittlung.
Diese Vorschrift betrifft z. B.:
- Klingeltöne
- App-Downloads
- Spielekäufe über Mobilfunk
Tausch und tauschähnlicher Umsatz
Wenn für eine Leistung nicht Geld, sondern eine andere Leistung oder Sache gegeben wird, spricht man von:
- Tausch: Leistung gegen Leistung
- Tausch mit Baraufgabe: Leistung gegen Leistung + Geld
Beispiel: Ein Videograph gestaltet ein Video und bekommt dafür ein Produkt + 100 €. Hierbei handelt es sich um einen Tausch mit Baraufgabe.
Wichtig für die Umsatzsteuer: Es liegen zwei Leistungen vor, dabei wird jede separat bewertet. Als Wert zählt die tatsächliche Gegenleistung ohne Umsatzsteuer.
Sonderfall - Gutscheine in der Umsatzsteuer
Gutscheine spielen im Umsatzsteuerrecht eine besondere Rolle. Seit dem 1. Januar 2019 unterscheidet das Umsatzsteuergesetz (UStG) zwischen zwei Arten:
- Einzweck-Gutscheine
- Mehrzweck-Gutscheine
Einzweck-Gutscheine
Ein Einzweck-Gutschein liegt immer dann vor, wenn alle umsatzsteuerlichen Informationen bereits bei der Ausgabe feststehen:
- Ort der Leistung ist bekannt
- Steuersatz ist klar (z. B. 7 % oder 19 %)
- Leistung oder Produkt ist konkret benannt
- Leistender Unternehmer ist bekannt
Der Gutschein selbst gilt bereits als Lieferung oder Leistung. Das heißt: Die Umsatzsteuer wird bei der Ausgabe fällig, nicht erst bei der Einlösung.
Was zählt nicht als Gutschein?
Nicht unter die Gutschein-Regelungen fallen:
- Rabattcodes (z. B. 10 %-Gutschein)
- Briefmarken
- Fahrkarten, Eintrittskarten etc.
Einzweck-Gutscheine in Vertriebsketten
Gutscheine werden oft nicht direkt an den Kunden verkauft, sondern über Zwischenhändler. Wichtig ist dabei:
- Handelt der Händler im eigenen Namen, gilt er umsatzsteuerlich als Leistender. Es entsteht eine Leistungskette, jeder Beteiligte muss Umsatzsteuer abführen.
- Handelt der Händler im fremden Namen, ist nur der ursprüngliche Unternehmer umsatzsteuerlich relevant. Der Händler muss dem eigentlichen Leistenden mitteilen, wann der Gutschein ausgegeben wurde, damit dieser die Steuer korrekt abführen kann.
Ort der Leistung
Der Ort richtet sich nach der Art der Leistung und den allgemeinen Vorschriften (§§ 3-3a UStG). Bei Gutscheinen in Vertriebsketten gilt:
- Bei Lieferungen ohne Warenbewegung: Ort der Leistung = Ort bei Übergabe des Gutscheins (§ 3 Abs. 7 UStG)
- Bei sonstigen Leistungen: Ort nach § 3a Abs. 1 UStG
Bemessungsgrundlage & Steuerentstehung
Bemessungsgrundlage ist das vereinbarte Entgelt, also der Preis, den der Kunde zahlt. Die Umsatzsteuer entsteht beim Verkauf des Gutscheins, nicht bei Einlösung. Wenn der Gutschein nicht eingelöst wird, ist keine Änderung nötig. Die Steuer ist mit der Ausgabe bereits entstanden.
Mehrzweck-Gutscheine
Ein Mehrzweck-Gutschein liegt immer dann vor, wenn nicht alle Informationen für die Besteuerung bei Ausgabe feststehen:
- Ort der Leistung noch unklar
- Produkt oder Leistung nicht konkret
- Steuersatz noch offen
- Unternehmer nicht eindeutig
Die Umsatzsteuer entsteht erst bei der Einlösung, weil erst dann klar ist, welche Leistung tatsächlich erbracht wird.
Mehrzweck-Gutscheine in Vertriebsketten
Mehrzweck-Gutscheine können ebenfalls über mehrere Unternehmer weitergegeben werden. Der Unterschied zum Einzweck-Gutschein:
- Die Weitergabe gilt als Tausch von Zahlungsmitteln, nicht als Lieferung.
- Umsatzsteuerlich passiert erst etwas, wenn der Gutschein vom Endkunden eingelöst wird.
- Der letzte Unternehmer erbringt dabei meist eine Vermittlungsleistung - unabhängig davon, ob im eigenen oder fremden Namen gehandelt wird.
Gutscheine sollten idealerweise als "Mehrzweck-Gutschein" gekennzeichnet sein, um Klarheit zu schaffen.
Ort der Leistung
Hier gilt: Der Ort der Leistung bestimmt sich erst im Moment der Einlösung, nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 3-3a UStG).
Bemessungsgrundlage & Steuerentstehung
Bemessungsgrundlage ist der Wert des Gutscheins, den der Kunde bei Einlösung zahlt (§ 10 Abs. 1 S. 2 UStG). Hat der leistende Unternehmer keine Informationen über den ursprünglichen Preis, gelten pauschale Bewertungsregeln (§ 10 Abs. 1 S. 6 UStG). Die Umsatzsteuer entsteht erst bei Leistungserbringung, also bei der tatsächlichen Einlösung. Ist der Gutschein verfallen, fällt keine Umsatzsteuer an, da keine Leistung erfolgt ist.
Merkmale im Überblick
| Merkmal | Einzweck-Gutschein | Mehrzweck-Gutschein |
| Alle USt-Daten bekannt? | Ja | Nein |
| Steuer bei Ausgabe | Ja | Nein |
| Steuer bei Einlösung | Nein | Ja |
| Verfall hat Auswirkung | Nein | Nein |
| Übertragung ist steuerbar? | Ja (wenn im eigenen Namen) | Nein (reiner Geldtransfer) |