Steuerschuldner in der Umsatzsteuer
Nach § 13a Abs. 1 UStG schuldet normalerweise derjenige die Umsatzsteuer, der die Leistung erbringt, also der leistende Unternehmer. Das gilt in den meisten Fällen, etwa bei Verkäufen oder Dienstleistungen im Inland.
Ausnahme: Bei der Einfuhrumsatzsteuer (§ 13a Abs. 2 UStG) ist nicht der Verkäufer, sondern der Einführer Steuerschuldner, also derjenige, der die Ware ins Inland bringt.
Das Frage nach dem Steuerschuldner und Reverse-Charge-Verfahren ist regelmäßig Thema in der Steuerberaterprüfung. In unseren Kernlehrgängen und Klausurenkursen bereiten wir Sie entsprechend auf den schriftlichen und mündlichen Teil des StB-Examens vor.
Sonderfall: Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG (Reverse-Charge-Verfahren)
In bestimmten Fällen geht die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger über. Dieser schuldet dann die Steuer, nicht der leistende Unternehmer.
Wann greift das?
- Bei ausländischen Unternehmern, die Leistungen im Inland erbringen
- Bei bestimmten Bauleistungen
- Bei Umsätzen mit Energie, Metallen, Grundstücken u. a.
Warum gibt es das?
- Um Steuerausfälle zu vermeiden, z. B. bei Unternehmen aus dem Ausland
- Um ausländische Unternehmer von der Pflicht zu befreien, sich in Deutschland umsatzsteuerlich zu registrieren
Wichtige Voraussetzungen:
- Der Leistungsempfänger ist Unternehmer oder juristische Person
- Die Leistung ist im Inland steuerbar und steuerpflichtig
Hinweis: § 13b UStG betrifft nicht nur die Steuerschuldnerschaft, sondern enthält auch besondere Vorschriften zur Steuerentstehung. Wenn die Beteiligten fälschlich vom Reverse-Charge ausgehen, bleibt der Leistungsempfänger trotzdem Steuerschuldner, wenn dies in der Rechnung so vereinbart wurde (§ 13b Abs. 5 Satz 8 UStG).
Wer kann Steuerschuldner nach § 13b UStG sein?
Nach § 13b Abs. 5 UStG geht die Steuer auf den Leistungsempfänger über, wenn dieser:
- ein Unternehmer oder
- eine juristische Person ist (vgl. Abschnitt 13b.1 Abs. 1 UStAE).
Dabei ist entscheidend, wo der leistende Unternehmer ansässig ist:
- Im Ausland ansässig: Die Steuerschuld geht in vielen Fällen auf den Leistungsempfänger über (§ 13b Abs. 2 Nr. 1, 5a UStG).
- Im EU-Ausland (Gemeinschaftsgebiet): Steuerschuldnerschaft greift nur, wenn keine inländische Betriebsstätte beteiligt ist (§ 13b Abs. 1 UStG).
Definition Ausland (§ 13b Abs. 7 UStG): Ein Unternehmer gilt als im Ausland ansässig, wenn er weder Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Geschäftsleitung noch Betriebsstätte in Deutschland oder auf Helgoland hat.
Relevante Klausurfälle der Umkehr der Steuerschuldnerschaft (§ 13b UStG)
a) Leistungen aus dem EU-Ausland
Sonstige Leistungen, die im Inland steuerpflichtig sind, wenn sie von einem im EU-Ausland ansässigen Unternehmer stammen (§ 13b Abs. 1 UStG).
b) Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers
Gilt bei Leistungen gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG.
c) Sicherungsübereignung außerhalb eines Insolvenzverfahrens
Bei Lieferung durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer (§ 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG), sofern kein Insolvenzverfahren läuft.
Wichtig: Die Sicherungsübereignung allein ist noch keine Lieferung - maßgeblich ist die tatsächliche Verschaffung der Verfügungsmacht.
Zwei oder drei Umsätze möglich:
- Zwei Umsätze:
- Sicherungsgeber → Sicherungsnehmer
- Sicherungsnehmer → Käufer
- Dreifachumsatz:
- Sicherungsgeber verkauft im eigenen Namen → Komplexere Lieferungskette mit mehreren Steuerschuldnern
d) Grundstücksumsätze mit Option zur Steuerpflicht (§ 9 UStG)
Umsätze nach dem Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG), z. B.:
- Verkauf von Grundstücken
- Übertragung von Erbbaurechten
Nur relevant, wenn zur Umsatzsteuer optiert wurde (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG).
e) Bauleistungen (inkl. Werklieferungen)
Leistungen, die mit dem Bau, der Reparatur, Instandhaltung oder dem Abbruch von Bauwerken zu tun haben (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG).
Voraussetzung:
- Der Empfänger ist inländischer Unternehmer
- Er erbringt selbst regelmäßig Bauleistungen
Eine Verbindung zwischen den Bauleistungen von Leistungsempfänger und Leistendem ist nicht erforderlich (§ 13b Abs. 5 Satz 2 UStG). Tipp: Definitionen und Beispiele für Bauleistungen finden sich in Abschnitt 13b.2 UStAE.
f) Gas-, Strom- und Energieumsätze
Lieferungen nach § 3g UStG, z. B. Von:
- Gas über das Erdgasnetz
- Elektrizität
- Wärme / Kälte
Wichtig: Empfänger muss ein Wiederverkäufer sein, dessen Hauptgeschäft der Weiterverkauf ist. Eigenverbrauch darf nur eine untergeordnete Rolle spielen (§ 13b Abs. 5 UStG).
g) Lieferungen nach Anlage 3 UStG
Umsätze mit bestimmten Metallen, Halbleitern oder Elektronikbauteilen (§ 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG). Bei gemischten Lieferungen können unterschiedliche Steuerschuldner entstehen.
h) Lieferungen nach Anlage 4 UStG (z. B. Metalle)
Z. B. bei Lieferungen von Gold, Silber, Platin, Kupfer oder Aluminium - nur ab 5.000 € Nettoentgelt (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG). Hinweis: Auch bei einer falschen Annahme, dass § 13b greift, bleibt der Leistungsempfänger Steuerschuldner (§ 13b Abs. 5 Satz 8 UStG).
Bemessungsgrundlage & Berichtigung (§ 17 UStG)
- Bemessungsgrundlage ist der Nettobetrag laut Rechnung oder Gutschrift (§ 13b.13 Abs. 1 UStAE).
- Ändert sich dieser Betrag später (z. B. durch Rabatt oder Stornierung), muss die Umsatzsteuer nachträglich angepasst werden - gemäß § 17 UStG.
Im Grundsatz schuldet also der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer (§ 13a UStG). In bestimmten Fällen greift jedoch das Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b UStG: Dann geht die Steuerpflicht auf den Leistungsempfänger über. Diese Regelungen betreffen vor allem grenzüberschreitende Leistungen und besondere Branchen wie Bau, Energie oder Metallhandel.