Ort der Leistung in der Umsatzsteuer

Der Ort der Leistung ist im Umsatzsteuerrecht der maßgebliche Ort, an dem eine Lieferung oder sonstige Leistung als ausgeführt gilt. Er bestimmt:

  • Ob deutsche Umsatzsteuer anfällt,
  • Wer die Steuer schuldet (z. B. Leistungserbringer oder Leistungsempfänger),
  • Ob die Leistung ggf. steuerfrei ist oder
  • Welche Vorschriften (z. B. Rechnung, Nachweispflichten, Meldungen) gelten.

Dabei wird zwischen zwei Arten von Leistungen unterschieden:

  • Lieferungen
  • Sonstige Leistungen

Für beide Arten gelten unterschiedliche Regelungen.

In der Steuerberaterprüfung tauchen Aufgabenstellungen, die mit dem Ort der Leistung zu tun haben, regelmäßig auf. In unseren Kernlehrgängen und Klausurenkursen bereiten wir Sie daher eingehend auf entsprechende Fragestellungen vor.

Ort der Lieferung

Der Ort der Lieferung ist wichtig für die Frage, wo Umsatzsteuer anfällt. Die gesetzliche Grundlage findest du in § 3 UStG. Dabei gilt ein klarer Prüfungsablauf:

  1. Zuerst werden die Sonderregelungen geprüft: §§ 3c, 3e und 3g UStG
  2. Nur wenn diese nicht greifen, gelten die allgemeinen Regeln in § 3 Abs. 6-8 UStG.

Ort der Lieferung bei Fernverkäufen (§ 3c UStG)

Ein Fernverkauf liegt vor, wenn ein Unternehmen Waren an Privatpersonen (B2C) in ein anderes EU-Land liefert und der Versand durch den Verkäufer oder in dessen Auftrag erfolgt.

Seit dem 1. Juli 2021 gelten hier neue Regeln wegen der EU-Mehrwertsteuerreform und dem One-Stop-Shop (OSS). Ort der Lieferung ist dabei das Land, in dem der Kunde sitzt, es sei denn, der Verkäufer bleibt unter der Lieferschwelle und entscheidet sich nicht für den OSS.

Ort der Lieferung bei Transporten an Bord (§ 3e UStG)

Wenn Waren oder Dienstleistungen während einer Reise an Bord eines Schiffs, Flugzeugs oder Zuges innerhalb der EU erbracht werden, gilt:

Ort der Lieferung ist der Abfahrtsort des Verkehrsmittels innerhalb der EU.

Wichtig dabei: Die Hin- und Rückfahrt gelten als zwei getrennte Beförderungen. Bei Stopps mit Möglichkeit zum Verlassen des Fahrzeugs richtet sich die Lieferung nach dem Land des Zwischenstopps.

Ort der Lieferung bei Energie (§ 3g UStG)

Für die Lieferung von Gas, Strom, Wärme oder Kälte gilt:

  • An Wiederverkäufer: Lieferung findet dort statt, wo der Abnehmer sitzt.
  • An Endverbraucher: Lieferung findet dort statt, wo das Produkt genutzt oder verbraucht wird.

Besonderheit: Bei bestimmten Konstellationen kann sich der Steuerschuldner ändern (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG).

Ort der Lieferung bei bewegten Lieferungen (§ 3 Abs. 6 UStG)

Bei einer bewegten Lieferung wird die Ware befördert oder versendet. Der Ort der Lieferung ist dabei der Ort, wo die Beförderung oder Versendung beginnt.

Hierbei wird zwischen folgende Lieferarten unterschieden:

  • Beförderungslieferung: Der Lieferant oder Abnehmer transportiert selbst.
  • Versendungslieferung: Eine Spedition oder ein anderer Beauftragter übernimmt.

Wenn die Ware nach Versandbeginn noch verändert wird, z. B. Bei Montage zu einer funktionierenden Anlage, liegt keine bewegte Lieferung mehr vor!

Ort der Lieferung bei Reihengeschäften (§ 3 Abs. 6a UStG)

Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer ein Geschäft über denselben Gegenstand abschließen, aber nur ein Transport erfolgt. Nur eine Lieferung gilt als bewegte Lieferung. Entscheidend ist, wer die Beförderung übernimmt:

Wer transportiert?Bewegte Lieferung ist:
Erster Unternehmer (A)A → B
Zwischenhändler (B)A → B (außer B beweist, dass er als Lieferer transportiert → dann B → C)
Letzter Abnehmer (C)B → C

Verwendet der Zwischenhändler die USt-ID des Abgangslandes, kann die Lieferung ihm zugeordnet werden (§ 3 Abs. 6a S. 5 - 7 UStG).

Ort der Lieferung bei Schnittstellen-Betreibern (§ 3 Abs. 6b UStG)

Betreibt ein Unternehmer eine elektronische Schnittstelle (z. B. Marktplatz), über die Ware verkauft wird, gelten besondere Regeln. Bei innergemeinschaftlichen Fernverkäufen durch Drittlands-Unternehmer entsteht ein fingiertes Reihengeschäft (§ 3 Abs. 3a UStG).

Ort der Lieferung: Die Schnittstelle gilt in diesem Fall als Lieferant und tätigt die bewegte Lieferung.

Für die ruhende Lieferung vom Drittlandsverkäufer an die Plattform kann ggf. eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4c UStG greifen.

Ort der Lieferung bei ruhenden Lieferungen (§ 3 Abs. 7 UStG)

Wenn keine Beförderung oder Versendung erfolgt, spricht man von einer ruhenden Lieferung.

Dort Ort der Lieferung ist dabei der Ort, wo sich der Gegenstand bei Übergabe der Verfügungsmacht befindet.

Beispiele:

  • Übergabe im Lager
  • Eigentumsübertragung über Ladeschein, Lagerschein, Konnossement
  • Grundstückslieferung

Im Reihengeschäft gilt hierbei:

  • Lieferung vor der bewegten Lieferung → Ort: Versandbeginn
  • Lieferung nach der bewegten Lieferung → Ort: Versandende

Ort der Lieferung bei Einfuhren (§ 3 Abs. 8 UStG)

Wenn eine Ware aus einem Drittland ins Inland gelangt und der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, gilt:

Der Ort der Lieferung ist das Inland, trotz Beförderung aus dem Drittland. Die Voraussetzung dabei ist, dass der Lieferer beim Zoll der offizielle Einführer ist.

Ort der Lieferung bei Werklieferungen

Werklieferungen werden je nach Ausgestaltung wie normale Lieferungen behandelt. Wird die Ware vor Ort montiert, liegt meist eine ruhende Lieferung vor (Ort der Abnahme). Wenn die Ware vor Abnahme transportiert wird, liegt eine bewegte Lieferung vor (Transportbeginn entscheidet).

Ort der Lieferung im Kommissionsgeschäft

Beim Kommissionsgeschäft gibt es zwei Lieferungen:

  1. Kommittent an Kommissionär: Hierbei handelt es sich meist um ruhende Lieferungen (§ 3 Abs. 7 UStG).
  2. Kommissionär an Endkunde: Hierbei handelt es sich meist um bewegte Lieferungen (§ 3 Abs. 6 UStG)

Beim Einkaufskommissionär ist die Lieferung vom Verkäufer zum Kommissionär die bewegte Lieferung, die Lieferung vom Kommissionär zum Kommittenten die ruhende.

Ort der sonstigen Leistung

Ob eine sonstige Leistung in Deutschland steuerpflichtig ist, hängt davon ab, wo sie „ausgeführt“ wird. Das regelt § 3a UStG. Dabei gilt: Es gibt eine Grundregel, aber auch viele Sonderfälle, die zuerst geprüft werden müssen.

Grundregel zu den Orten der sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 1 UStG)

Wenn keine Sonderregel greift, gilt: Der Ort der sonstigen Leistung ist dort, wo der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, also der Sitz oder die Betriebsstätte.

Diese Regel gilt nur dann, wenn keine der speziellen Vorschriften aus

  • § 3a Abs. 2-8 UStG,
  • § 3b UStG (Beförderungsleistungen), oder
  • § 3e UStG (z. B. Restaurationsleistungen im Transport) zutrifft.

Ausnahme: Leistungen an Unternehmer - § 3a Abs. 2 UStG

Wenn die Leitung an einen Unternehmer geht, gilt grundsätzlich: Der Ort der Leistung ist dort, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Das wird als Empfängerortprinzip bezeichnet.

Wichtig: Der Leistungsempfänger muss die Leistung für sein Unternehmen beziehen. Wenn er eine USt-IdNr. angibt, wird er laut EU-Recht als Unternehmer behandelt, aber nur, wenn du die USt-IdNr. geprüft hast (§ 18e UStG).

Reihenfolge der Prüfung

Bevor der den Leistungsort nach der Grundregel bestimmt wird, wird folgendes geprüft:

  1. Gilt § 3b oder § 3e UStG?
  2. Greift eine der Sonderregeln in § 3a Abs. 3-8 UStG?
  3. Liegt eine Leistung an einen Unternehmer vor (§ 3a Abs. 2 UStG)?
  4. Erst dann: § 3a Abs. 1 UStG anwenden (Grundregel)

Wenn die Leistung über eine Betriebsstätte ausgeführt wird, zählt der Ort der Betriebsstätte.

Sonderfälle - Leistungsort bei speziellen Leistungen

Es gibt folgende Sonderfälle bei speziellen Leistungen:

Beförderungsleistungen - § 3b UStG

Hierzu zählen 

  • Personenbeförderung: Der Ort ist hierbei die gesamte Strecke, auf der befördert wird. Bei grenzüberschreitenden Fahrten erfolgt eine Aufteilung nach § 2-7 UStDV.
  • Güterbeförderung: Handelt es sich um einen Nicht-Unternehmer, z. B. einen Privatkunde, dann wird wie folgt unterschieden:
    • Ist die Beförderung innergemeinschaftlich, dann ist der Ort der Leistung der Beginn der Beförderung (§ 3b Abs. 3)
    • Ist die Beförderung nicht innergemeinschaftlich, dann ist der Ort der Leistung die gesamte Strecke (§ 3b Abs. 1)

Finden zusätzliche Leistungen wie Beladen, Entladen oder Umschlagen statt, ist der Ort die Stelle, wo tatsächlich gearbeitet wird (§ 3b Abs. 2). Wenn die Leistung im Drittland genutzt oder ausgewertet wird, liegt der Ort dort (§ 3a Abs. 8 UStG).

Restaurationsleistungen - § 3e & § 3a Abs. 3a

Im Spezialfall von Restaurationsleistungen gilt folgende Regelung:

  • An Bord von Verkehrsmitteln (z. B. Flugzeug, Schiff) ist der Ort der Abfahrtsort im EU-Gebiet (§ 3e UStG), ansonsten der Ort, wo gegessen bzw. getrunken wird (§ 3a Abs. 3a Buchst. a)

Grundstücksleistungen - § 3a Abs. 3 Nr. 1

Der Ort der Leistung ist immer dort, wo das Grundstück liegt. Zu den Leistungen gehören z. B.:

  • Grundstücksverkäufe
  • Bauleistungen
  • Vermietung

Beim Verkauf vermieteter Immobilien gilt:

  • Handelt es sich um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, was häufig der Fall ist, greift § 1 Abs. 1a UStG
  • Keine Umsatzsteuer, wenn der Käufer das Vermietungsgeschäft übernimmt.

Kurzfristige Vermietung von Fahrzeugen - § 3a Abs. 3 Nr. 2

Bei kurzfristigen Vermietungen von Fahrzeugen ist der Ort der Leistung der Ort, wo das Fahrzeug übergeben wird. Diese Regelung greift nur, wenn die Vermietung maximal

  • 30 Tage bei Autos
  • 90 Tage bei Wasserfahrzeugen umfasst.

Veranstaltungen & digitale Teilnahme - § 3a Abs. 3 Nr. 3, 5

Bei Live- und digitalen Veranstaltungen gilt folgende Regelung:

  • Bei Live-Veranstaltungen wie z. B. Messen oder Konzerten ist der Ort der Leistung identisch mit dem Veranstaltungsort
  • Bei Veranstaltungen mit virtuelle Teilnahme, z. B. bei Online-Streaming ist der Ort der Leistung der Wohnsitz des Teilnehmers. 

Vermittlungsleistungen - § 3a Abs. 3 Nr. 4

Bei Vermittlungsleistungen ist der Ort der Leistung der Ort, wo der vermittelte Umsatz ausgeführt wird, wenn der Empfänger kein Unternehmer ist.

Beispiele: Makler, Handelsvertreter, Auktionator

Bei Leistungen an Unternehmer gilt der § 3a Abs. 2 UStG.

Telekommunikation, Rundfunk, elektronische Leistungen - § 3a Abs. 5

Bei Leistungen wie Internetdienste, Streaming, Apps etc. ist der Ort der Leistung der Wohnsitz des privaten Kunden.

Leistungen durch Drittlandsunternehmer - § 3a Abs. 6

Wenn ein Unternehmer aus dem Drittland an Privatpersonen in Deutschland leistet, ist der Ort Deutschland

Kurzfristige Vermietung an Unternehmer im Drittland - § 3a Abs. 7

Wenn ein deutscher Unternehmer ein Fahrzeug kurzfristig an einen Unternehmer im Drittland vermietet, ist Ort der Leistung das Drittland.

Nutzung im Drittland - § 3a Abs. 8

Auch wenn eine Leistung eigentlich im Inland ausgeführt wird, gilt sie als im Drittland erbracht, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.

Beispiele:

  • Transportleistungen
  • Arbeiten an beweglichen Sachen
  • Messeleistungen
  • Reisevorleistungen
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