Innergemeinschaftliche Lieferungen
Umsatzsteuer
Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt vor, wenn ein Unternehmen Waren aus Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedstaat liefert und diese Lieferung unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit ist.
Innergemeinschaftliche Lieferungen sind regelmäßig Thema in der Steuerberaterprüfung. Daher gehen wir auf dieses Thema in unseren Kernlehrgängen und Klausurenkursen ein und zeigen Ihnen, was Sie dazu wissen müssen.
Voraussetzungen für die Steuerfreiheit
Damit eine Lieferung innerhalb der EU steuerfrei bleibt, müssen vier zentrale Bedingungen erfüllt sein:
- Warenbewegung über die Grenze: Die Ware muss physisch aus Deutschland in ein anderes EU-Land gelangen - per Beförderung oder Versendung. Eine "bewegte Lieferung” ist also zwingend nötig. Eine rein "ruhende Lieferung”, bei der die Ware nicht transportiert wird, erfüllt diese Voraussetzung nicht.
- Abnehmer mit gültiger USt-IdNr.: Der Abnehmer muss in einem anderen EU-Land umsatzsteuerlich registriert sein und die Ware für sein Unternehmen erwerben. Der Nachweis erfolgt durch die Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) aus einem anderen EU-Mitgliedstaat. Ohne USt-IdNr. ist keine Steuerfreiheit möglich. Auch juristische Personen oder Privatpersonen (nur bei Neufahrzeugen) können unter bestimmten Bedingungen Abnehmer sein.
- Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland: Der Abnehmer muss den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsland versteuern. Ob das auch tatsächlich passiert, ist für die Steuerfreiheit in Deutschland nicht entscheidend. Es reicht aus, dass die Erwerbsbesteuerung grundsätzlich vorgesehen ist.
- Richtige Angabe in der Zusammenfassenden Meldung (ZM): Die Lieferung muss korrekt und vollständig in der ZM gemeldet werden - spätestens bis zum 25. Tag nach dem Monat der Lieferung. Wird die ZM nicht oder fehlerhaft abgegeben, entfällt die Steuerfreiheit. Erfolgt eine Korrektur rechtzeitig, kann die Steuerfreiheit rückwirkend wieder gewährt werden.
Nachweise für die Steuerfreiheit
Um die Steuerfreiheit in Anspruch nehmen zu können, müssen bestimmte Nachweise vorliegen. Diese sind gesetzlich vorgeschrieben.
Belegnachweis (§§ 17a, 17b UStDV)
Der Unternehmer muss belegen, dass die Ware tatsächlich ins EU-Ausland gelangt ist. Dafür gibt es zwei Wege:
- Gelangensvermutung (§ 17a UStDV): Es müssen mindestens zwei Belege vorhanden sein, z. B. Frachtpapiere, Liefernachweise oder Zahlungsbelege für den Transport.
- Gelangensbestätigung (§ 17b UStDV): Alternativ kann der Abnehmer bestätigen, dass er die Ware im anderen EU-Land erhalten hat. Diese Bestätigung muss bestimmte Pflichtangaben enthalten, z. B. Name, Adresse, Menge, Ort und Datum des Erhalts sowie eine Unterschrift (bei elektronischer Übermittlung nicht erforderlich).
Beide Varianten sind gleichwertig. Es kann auch eine Sammelbestätigung für mehrere Lieferungen innerhalb eines Quartals erstellt werden.
Buchnachweis (§ 17d UStDV)
Der Unternehmer muss in seinen Aufzeichnungen u. a. folgende Informationen dokumentieren:
- USt-IdNr. von Lieferant und Abnehmer
- Name, Anschrift und Branche des Abnehmers
- Zeitpunkt und Ort der Lieferung
- Entgelt und ggf. Angaben zur Bearbeitung vor dem Transport
Die Gültigkeit der USt-IdNr. muss überprüft werden - über das BZSt oder die EU-Datenbank MIAS. Es wird empfohlen, eine qualifizierte Bestätigung einzuholen. Nur dann greift der sogenannte Vertrauensschutz (§ 6a Abs. 4 UStG), falls sich im Nachhinein herausstellt, dass der Abnehmer falsche Angaben gemacht hat.
Besondere Fälle
Besondere Fälle innergemeinschaftlicher Lieferungen sind z. B.:
Lieferung an Privatpersonen
Liegt ein neues Fahrzeug vor, kann auch eine Privatperson Abnehmer sein. Auch dann ist die Lieferung steuerfrei, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind.
Bearbeitung vor Lieferung
Wird die Ware vor dem Versand im Inland bearbeitet oder verarbeitet, bleibt die Steuerfreiheit erhalten - vorausgesetzt, die bearbeitete Ware wird versendet und alle anderen Voraussetzungen sind erfüllt.
Lieferung über ein Drittland
Die Ware wird dabei aus Deutschland über ein sogenanntes Drittland (welches kein EU-Staat ist) in ein anderes EU-Land verbracht. Auch in diesem Fall liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung vor, sofern der Gegenstand direkt in das EU-Land transportiert wird. Der Transit durch das Drittland ist dabei unschädlich.
Lieferung an Schwellenerwerber
Hierbei handelt es sich um bestimmte Unternehmer oder juristische Personen, die keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwenden. Die Lieferung ist nur steuerfrei, wenn die Erwerbsschwelle im Bestimmungsland überschritten oder auf ihre Anwendung verzichtet wurde. Erkennbar ist das an der Verwendung einer USt-IdNr.
Bemessungsgrundlage
Die Bemessungsgrundlage (BMG) für die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung richtet sich nach dem Entgelt ohne Umsatzsteuer (§ 10 UStG).
Bei Rabatten, Skonti oder Rücksendungen ist die BMG nachträglich zu korrigieren (§ 17 UStG). Diese Änderungen sind auch in der ZM zu melden (§ 18a Abs. 7 UStG).
Bei Zahlungen in Fremdwährung ist der Umrechnungskurs des Voranmeldungszeitraums maßgeblich (§ 16 Abs. 6 UStG).
Anmeldung in der Umsatzsteuer-Voranmeldung
Die innergemeinschaftliche Lieferung muss spätestens im Voranmeldungszeitraum nach der Lieferung oder der Rechnungserstellung gemeldet werden (§ 18b UStG). Dadurch wird sichergestellt, dass alle Angaben synchron mit der Zusammenfassenden Meldung erfolgen - und so auch die Besteuerung im Zielland geprüft werden kann.
Rechnungspflichten
Für eine innergemeinschaftliche Lieferung gelten besondere Anforderungen an die Rechnung (§ 14 UStG):
- Hinweis auf die Steuerbefreiung (z. B. "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung")
- USt-IdNr. des Lieferanten und des Abnehmers
- Ausstellung bis spätestens zum 15. des Folgemonats
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt und alle Nachweise korrekt erbracht sind, kann die Lieferung steuerfrei bleiben, auch bei nachträglichen Änderungen. Wichtig ist eine saubere Dokumentation und die rechtzeitige Meldung.