Schriftliche Steuerberaterprüfung 2025
Die Bewertung und Begünstigung von Betriebsvermögen / nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften sowie Grundvermögen gehören als regelmäßig wiederkehrende Themenschwerpunkte zu den absoluten “Dauerbrennern” in der Steuerberaterprüfung1 . Handlungsorientiert erhalten Sie daher im nachfolgenden Artikel aus der NWB Steuer und Studium 6/25 Empfehlungen für eine effektive Herangehensweise an derartige Sachverhalte und zum Aufbau der Lösung mit konkreten Formulierungsvorschlägen. Vier Mini-Klausuren veranschaulichen zudem, worauf Sie sich i. R. der einzelnen Lösungsschritte konzentrieren müssen, um effizient ein Maximum an Punkten erreichen zu können. Denn die meisten Punkte in der Prüfungsklausur werden “auf dem Weg zum Ziel” vergeben - und nicht für das Ergebnis.
Zusammenfassung
In der Erbschaft- und Schenkungsteuerklausur sind Vermögenspositionen grundsätzlich in zwei Schritten zu analysieren: Zunächst ist der gemeine Wert auf den Bewertungsstichtag zu bestimmen (Bewertungsebene), sofern dieser nicht bereits vorgegeben ist. Anschließend ist zu prüfen, ob Steuervergünstigungen wie sachliche Steuerbefreiungen möglich sind (Besteuerungsebene). Prüfungsaufgaben enthalten regelmäßig den Hinweis, dass gesonderte Feststellungen – etwa für Betriebsvermögen oder nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften – vorab darzustellen sind. Auch die Feststellung nach § 13b Abs. 10 ErbStG gehört hierzu, sofern begünstigtes Vermögen vorliegt.
Bei der Bewertung von Betriebsvermögen oder nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften beginnt die Lösung stets mit einer standardisierten Einleitung zur Bewertung. Für erbschaftsteuerliche Zwecke ist dabei regelmäßig eine gesonderte Feststellung auf den Bewertungsstichtag erforderlich. Die Bewertung erfolgt grundsätzlich nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren oder anhand des Substanzwerts, wobei die Wahl anhand des Sachverhalts zu treffen ist.
Beim vereinfachten Ertragswertverfahren nach § 200 Abs. 1 BewG ist der durchschnittliche, nachhaltig erzielbare Jahresertrag aus den letzten drei Wirtschaftsjahren zu ermitteln und mit einem gesetzlich vorgegebenen Kapitalisierungsfaktor zu multiplizieren. Korrekturen an den Betriebsergebnissen erfolgen gemäß § 202 BewG, u. a. für außerordentliche Erträge oder betriebsfremdes Vermögen. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen, wie vermietete Grundstücke oder eingelegte Wertpapiere, wird gesondert hinzugerechnet. Der so ermittelte Ertragswert muss mindestens dem Substanzwert entsprechen.
Die Substanzwertermittlung erfolgt anhand einer Vermögensaufstellung zum Bewertungsstichtag unter Anwendung der einschlägigen Erbschaftsteuerrichtlinien (R B 11.5, 11.6, 109.3 ErbStR). Fehlt eine Zwischenbilanz, ist der letzte Bilanzstichtag anzupassen.
Nach der Wertermittlung ist zu prüfen, ob das Vermögen begünstigungsfähig ist (§ 13b Abs. 1 ErbStG) – insbesondere ob es sich um Betriebsvermögen oder Anteile an Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligung von über 25 % handelt. Ist dies gegeben, sind gesonderte Feststellungen nach § 13b Abs. 10 ErbStG vorzunehmen, etwa zum Verwaltungsvermögen und den Finanzmitteln. Die Prüfung umfasst auch, ob übermäßiges Verwaltungsvermögen (> 90 %) vorliegt, was eine Steuervergünstigung ausschließt. Liegt kein übermäßiges Verwaltungsvermögen vor, kann je nach Sachverhalt entweder die Regelverschonung (85 %) oder die Optionsverschonung (100 %) greifen, ggf. ergänzt durch das Abschmelzmodell oder die Bedürfnisprüfung bei größeren Erwerbsvorgängen.
Bei der Bewertung von Grundvermögen ist ab 2023 verstärkt mit einer Abfrage in der Steuerberaterprüfung zu rechnen. Dabei wird zwischen Ertragswert- und Sachwertverfahren unterschieden. Das Ertragswertverfahren kommt bei vermieteten oder gemischt genutzten Grundstücken zur Anwendung, bei denen eine übliche Miete feststellbar ist. Hierbei sind der Bodenwert und der Gebäudeertragswert getrennt zu berechnen. Der Reinertrag ergibt sich durch Abzug pauschaler Bewirtschaftungskosten vom Rohertrag. Der Gebäudereinertrag wird mit einem gesetzlich bestimmten Vervielfältiger bewertet und zum Bodenwert addiert.
Das Sachwertverfahren findet Anwendung, wenn keine übliche Miete vorliegt. Hier wird der Gebäudesachwert anhand der Regelherstellungskosten und der Bruttogrundfläche berechnet und mit einem Alterswertminderungsfaktor sowie einem Regional- und Sachwertfaktor angepasst. Auch hier sind der Bodenwert und Gebäudesachwert zu einem vorläufigen Sachwert zu addieren und anschließend mit einer Wertzahl multipliziert.
Abschließend sind etwaige Steuerbefreiungen zu prüfen. Bei selbstgenutzten Familienheimen können Befreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a–4c ErbStG greifen, bei zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken ein 10 %-Abschlag nach § 13d ErbStG. Voraussetzung ist stets, dass keine Weitergabeverpflichtung besteht. Bei gemischt genutzten Grundstücken erfolgt eine Aufteilung der Steuerbefreiung anteilig nach Wohn- und Nutzfläche.
Die systematische Herangehensweise an Bewertung und Begünstigung, die Anwendung von Berechnungsschemata sowie die präzise Einordnung steuerlicher Vorschriften sind entscheidend für den erfolgreichen Abschluss der entsprechenden Klausur.
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Im Rahmen der Erbschaft-/Schenkungsteuerklausur sind die Vermögenspositionen regelmäßig auf zwei Ebenen zu betrachten: Zunächst ist der gemeine Wert zum Bewertungsstichtag zu ermitteln (Bewertungsebene), sofern dieser nicht vorgegeben ist. Anschließend ist stets zu prüfen, ob sachliche Steuerbefreiungen gewährt werden können (Besteuerungsebene).
TIPP: Die Aufgabenstellung in den Prüfungsklausuren der letzten Jahre enthielt regelmäßig den nachfolgenden Hinweis: “Notwendige gesonderte Feststellungen sind ggf. vorab darzustellen.” In diesem Fall müssen Sie in Ihrer Lösung zuerst die gesonderten Wertfeststellungen für das BV / die nicht notierten Anteile an KapGes bzw. das Grundvermögen vornehmen. Dieser Hinweis schließt auch bei Vorliegen von begünstigungsfähigem Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 ErbStG die gesonderte Feststellung nach § 13b Abs. 10 ErbStG ein.
a) Einleitung der Lösung
Ihr Lösungsansatz sollte stets mit der Hinführung zur konkreten Bewertung beginnen. Die einleitenden Standardformulierungen zur Bewertung von BV / nicht notierten Anteilen an KapGes müssen Sie beherrschen. Nachfolge Formulierungsvorschläge helfen Ihnen dabei:
- Bei Übergang von BV (hier: Einzelhandelsunternehmen "Kaffeerösterei Arabica”) in einem Erbschaftsteuerfall: “Bei dem Einzelhandelsunternehmen ”Kaffeerösterei Arabica“ handelt es sich um einen Gewerbebetrieb i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG und somit um BV gem. § 95 Abs. 1 Satz 1 BewG (wirtschaftliche Einheit [wiE], § 2 BewG). Für erbschaftsteuerliche Zwecke ist eine gesonderte Feststellung des BV-Werts gem. § 12 Abs. 5 ErbStG i. V. mit §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 157 Abs. 5 BewG auf den Bewertungsstichtag (§ 11 i. V. mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) durchzuführen. Die Zurechnung erfolgt gem. § 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BewG an den Erben, § 39 Abs. 1 AO, § 1922 BGB.“ Auf die im Feststellungsbescheid neben der Wertfeststellung zu treffende Feststellung über die Zurechnung der wiE nach § 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BewG sollten Sie stets auch in Ihrer Klausurlösung hinweisen. "Nach § 157 Abs. 5 BewG ist der BV-Wert unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag festzustellen. Der gemeine Wert ist gem. § 109 Abs. 1 BewG nach § 11 Abs. 2 BewG zu ermitteln.“
- Bei Übergang von nicht notierten Anteilen an einer KapGes (hier: an der X-GmbH) in einem Schenkungsteuerfall: "Die X-GmbH ist als Gewerbebetrieb eine wiE gem. § 2 BewG. Für schenkungsteuerliche Zwecke ist für die Anteile an einer nicht notierten Kapitalgesellschaft i. S. des § 95 Abs. 1 i. V. mit § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG eine gesonderte und einheitliche Feststellung des Anteilswerts gem. § 12 Abs. 2 ErbStG i. V. mit § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 157 Abs. 4, § 154 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 i. V. mit § 153 Abs. 3 BewG auf den Bewertungsstichtag (§ 11 i. V. mit § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) durchzuführen. Die Zurechnung erfolgt gem. § 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BewG an den Beschenkten (§ 39 Abs. 1 AO). Der Wert der Anteile ist gem. § 157 Abs. 4 BewG unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag festzustellen. Die Bewertung der Anteile erfolgt gem. § 109 Abs. 2 BewG i. V. mit § 11 Abs. 2 BewG mit dem gemeinen Wert.“ Aufgrund der Ihnen in der Steuerberaterprüfung zur Verfügung stehenden Hilfsmittel können Sie davon ausgehen, dass die Bewertung von BV und von nicht notierten Anteilen an KapGes nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren und/oder der Substanzwertermittlung vorzunehmen sein wird. Die Entscheidung darüber, in welchem Umfang eine Bewertung von Ihnen verlangt wird, müssen Sie aber selbständig anhand der Sachverhaltsangaben treffen. "Da der gemeine Wert gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 BewG nicht primär aus Verkäufen unter fremden Dritten ableitbar ist, die innerhalb des letzten Jahres vor dem Bewertungsstichtag stattgefunden haben, und eine andere Wertermittlung durch den Steuerpflichtigen nicht vorliegt, erfolgt die Bewertung gem. § 11 Abs. 2 Satz 4 i. V. mit §§ 199-203 BewG nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren unter Berücksichtigung des Substanzwerts als Mindestwert gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG.“2
b) Vereinfachtes Ertragswertverfahren nach § 200 Abs. 1 BewG
Haben Sie eine Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren vorzunehmen, ist der Ertragswert gem. § 200 Abs. 1 BewG (= zukünftig nachhaltig erzielbarer Jahresertrag gem. §§ 201, 202 BewG x Kapitalisierungsfaktor gem. § 203 BewG) zu ermitteln. Dies wird den umfangreichsten (und damit zeitaufwändigsten) Teil in Ihrer Bearbeitung ausmachen, da Sie den Ertragswert gem. § 201 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BewG als Durchschnittsertrag aus den Betriebsergebnissen der letzten drei Wj. ableiten müssen, was wiederum bedeutet, dass Sie zunächst das jeweilige Betriebsergebnis für jedes der letzten drei Wj. unter Heran ziehung des § 202 BewG zu ermitteln haben. Analysieren Sie daher - ausgehend vom Gewinn (ermittelt nach § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 EStG bzw. nach § 4 Abs. 3 EStG) gem. § 202 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 BewG - für jedes einzelne Wj. der Reihe nach, ob solche Vermögensminderungen oder -mehrungen vorliegen, die einmalig sind bzw. den zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrag nicht beeinflussen. Korrigieren Sie diese nach § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1-3 BewG entsprechend durch Hinzurechnung oder Kürzung und unter Berücksichtigung eines pauschalen Ertragsteueraufwands von 30 % gem. § 202 Abs. 3 BewG mit dem Ziel, den bereinigten Normalertrag für das jeweilige Wj. zu erhalten. Prüfen Sie dann weiter, ob diesem Ertragswert ggf. noch einzeln anzusetzende (und ggf. noch zu bewertende) WG nach § 200 Abs. 2-4 BewG hinzuzurechnen sind.
Mini-Klausur 1
SACHVERHALT: Tischlermeister Malte Holzfeind (MH) schenkt seinem Sohn Eike Holzfeind (EH), ebenfalls Tischlermeister, zum 31.12.2024 seine Tischlerei. MH betreibt sein Einzelunternehmen auf eigenem Grundstück in Kiel, Sprottenweg 12. Seinen Gewinn ermittelt er nach § 5 EStG. Das Wj. entspricht dem Kj. Abschlüsse werden regelmäßig auf den 31.12. eines jeden Jahres erstellt. Folgende (verkürzte) Bilanz wurde zum 31.12.2024 aufgestellt:
Aktiva | Passiva | ||
GruBo, Sprottenweg 12, Kiel | 240.000 € | Eigenkapital | 1.600.000 € |
Gebäude, Sprottenweg 12, Kiel | 480.000 € | Langfristige Verbindlichkeiten | 250.000 € |
GruBo, Sprottenweg 13, Kiel | 169.000 € | Kurzfristige Verbindlichkeiten | 160.000 € |
Sachanlagen | 580.000 € | ||
Vorratsvermögen | 220.000 € | ||
Kasse, Bank, Forderungen | 181.000 € | ||
Wertpapiere | 110.000 € | ||
Sonstige Aktiva | 30.000 € | ||
2.010.000 € | 2.010.000 € |
Zu den einzelnen Bilanzposten liegen folgende Erläuterungen vor:
- Grundstück in Kiel, Sprottenweg 12: Das Grundstück (2.000 m2) ist mit den AK für den GruBo und den fortgeschriebenen AK für das Gebäude aktiviert. Mit dem Grundstück in Zusammenhang steht eine langfristige Verbindlichkeit, die entsprechend passiviert ist und zum 31.12.2024 mit 250.000 € valutiert.
- Grundstück in Kiel, Sprottenweg 13: MH erwarb das unbebaute Grundstück (1.000 m2) im August 2020 und aktivierte es mit den AK im BV. MH beabsichtigte, auf diesem Grundstück langfristig eine weitere Lagerhalle für Spezialholz errichten zu lassen. Übergangsweise wird das Grundstück an einen Bauunternehmer für Lagerzwecke zu einer monatlichen Miete von 2.000 € vermietet. Im Zusammenhang mit dem Grundstück fallen Aufwendungen i. H. von jährlich 2.000 € an. Für das Grundstück wurde der Grundbesitzwert zum Bewertungsstichtag zutreffend mit 180.000 € vom zuständigen FA festgestellt.
- Sachanlagen: Aktivierung mit den AK, verringert um die lineare AfA.
- Vorratsvermögen, Kasse, Bank, Forderungen: zutreffender ertragsteuerlicher Ansatz.
- Wertpapiere: Die Wertpapiere hatte MH zum 1.1.2024 in seinen Gewerbebetrieb eingelegt, obwohl dafür keine zwingende Notwendigkeit bestand. Wegen einer evtl. Umschuldung seiner langfristigen Verbindlichkeiten wollte er die Aktivseite seines Unternehmens stärken. Der zutreffende Bilanzansatz entspricht dem Börsenkurs zum 31.12.2024. Die Zinsen i. H. von 4 % jährlich (4.400 €) sind seinem Konto per 31.12.2024 gutgeschrieben worden.
- Verbindlichkeiten: Bei den langfristigen Verbindlichkeiten handelt es sich um die o. g. Schulden im Zusammenhang mit dem Grundstück, Sprottenweg 12. Die kurzfristigen Verbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen.
- Sonstige Angaben:
- Die erklärten Steuerbilanzgewinne der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wj. beliefen sich 2022 auf 136.000 €, 2023 auf 160.000 € und 2024 auf 178.000 €.
- Der GewSt-Aufwand wurde (zutreffend) wie folgt erfasst: 2022 17.562 €, 2023 21.344 € und 2024 24.176 €.
- Im Oktober 2023 konnte MH eine nicht mehr benötigte, voll funktionsfähige Bandsäge mit einem Gewinn von 1.000 € veräußern.
- In den einzelnen Wj. ist von einem - nicht verbuchten - angemessenem Unternehmerlohn von jährlich 90.000 € auszugehen.
- Der Substanzwert beträgt (zutreffend) 680.000 €.
AUFGABENSTELLUNG: Ermitteln Sie für schenkungsteuerliche Zwecke den gemeinen Wert des BV zum Bewertungsstichtag nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren.
LÖSUNG Gemäß § 200 Abs. 1 BewG ist zur Ermittlung des Ertragswerts der zukünftig nachhaltig erzielbare Jahresertrag (§§ 201, 202 BewG) mit dem Kapitalisierungsfaktor (§ 203 BewG) zu multiplizieren. Der zukünftig nachhaltig erzielbare Jahresertrag ist abzuleiten aus dem Durchschnittsertrag, der sich aus den Betriebsergebnissen der letzten drei Wj. vor dem Bewertungsstichtag (Wj. 2022, 2023 und 2024) ergibt (§ 201 Abs. 1 und 2 BewG). Bei der Ermittlung der einzelnen Betriebsergebnisse ist vom jeweiligen Gewinn nach § 5 EStG (§ 202 Abs. 1 Satz 1 BewG) auszugehen, unter Berücksichtigung ggf. nach § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1-3, Abs. 3 BewG vorzunehmender Korrekturen. Das vermietete unbebaute Grundstück und die Wertpapiere sind nicht betriebsnotwendiges Vermögen i. S. des § 200 Abs. 2 BewG, da durch deren Herauslösen die operative Geschäftstätigkeit nicht beeinträchtigt wird. Diese WG sind dem ermittelten Ertragswert einzeln mit ihrem gemeinen Wert hinzuzurechnen. Die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen bzw. Erträge sind bei der Ermittlung der Betriebsergebnisse i. R. der Ermittlung des Ertragswerts gem. § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. f bzw. Nr. 2 Buchst. f BewG korrigierend zu berücksichtigen. Das Grundstück ist gem. § 12 Abs. 3 ErbStG i. V. mit § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG mit dem auf den Bewertungsstichtag gesondert festgestellten Grundbesitzwert von 180.000 € anzusetzen und die Wertpapiere gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 BewG mit ihrem Börsenkurs zum Bewertungsstichtag i. H. von 110.000 €.
Ermittlung des Jahresertrags (§ 201 BewG)
TIPP: Prüfen Sie für jedes der zu betrachtenden Wj. der Reihe nach die in § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–3 BewG aufgeführten Korrekturposten, um nicht Gefahr zu laufen, etwas zu vergessen!
Damit ergibt sich folgende Berechnung:
Ansatz | Quelle | 2022 | 2023 | 2024 |
Ausgangswert - Gewinn i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG | § 202 Abs. 1 Satz 1 BewG | 136.000 € | 160.000 € | 178.000 € |
GewSt - Aufwand | § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. e BewG | + 17.562 € | + 21.344 € | + 24.176 € |
Aufwendungen Grundstück Sprottenweg 13 | § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. f BewG | + 2.000 € | + 2.000 € | + 2.000 € |
A. o. Ertrag (Verkauf Bandsäge) | § 202 Abs. 1 Satz 2. Nr. 2 Buchst. b BewG | - 1.000 € | ||
Unternehmerlohn | § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d BewG | - 90.000 € | - 90.000 € | - 90.000 € |
Mieterträge Grundstück Sprottenweg 13 | § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. f BewG | - 24.000 € | - 24.000 € | - 24.000 € |
Zinsen Wertpapiere | § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. f BewG | - 4.400 € | ||
BE vor Steuern | 41.562 € | 68.344 € | 85.776 € | |
ErtragSt-Aufwand 30 % | § 202 Abs. 3 BewG | - 12.469 € | - 20.503 € | - 25.733 € |
BE nach Steuern = maßgeblicher Jahresertrag | 29.093 € | 47.841 € | 60.043 € |
Gemäß § 201 Abs. 2 BewG beträgt der Durchschnittsertrag:
29.093 € + 47.841 € + 60.043 € = 136.977 € / 3 = 45.659 €
Durchschnittsertrag 45.659 € x Kapitalisierungsfaktor 13,75 (§ 203 Abs. 1 BewG) = 627.811 € (Ertragswert)
Hinzurechnung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens gem. § 200 Abs. 2 BewG:
Ertragswert | 627.811 € |
Grundstück (Grundbesitzwert lt. gesonderter Feststellung zum Bewertungsstichtag) | + 180.000 € |
Wertpapiere (Börsenkurs zum Bewertungsstichtag) | + 110.000 € |
Wert des BV nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren | 917.811 € |
Der im vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelte Wert ist höher als der Substanzwert von 690.000 € als Mindestwert gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG. Der gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG gesondert festzustellende gemeine Wert für das BV beträgt somit 917.811 €.
TIPP: Ist der Substanzwert nicht vorgegeben und auch wegen fehlender Einzelangaben nicht ermittelbar, sollten Sie in der Klausurlösung zumindest darauf hinweisen, dass die Mindestwertprüfung mangels Angaben nicht möglich ist.
c) Substanzwertermittlung nach R B 11.5 und R B 11.6 bzw. R B 109.3 ErbStR
Für die Ermittlung des Substanzwerts müssen Sie zwingend R B 11.5 und R B 11.6 bzw. R B 109.3 ErbStR heranziehen. In R B 11.5 Abs. 2-9 ErbStR erhalten Sie konkrete Handlungsanleitungen für den Ansatz und die Bewertung der einzelnen Positionen und in R B 11.6 bzw. R B 109.3 ErbStR finden Sie die Details zur Vorgehensweise bei fehlendem Zwischenabschluss auf den Bewertungsstichtag. Zur Ermittlung des Substanzwerts ist auf den Bewertungsstichtag eine Vermögensaufstellung (VA) zu fertigen (R B 11.6 Abs. 4 / R B 109.3 Abs. 4 ErbStR), wofür grundsätzlich eine (Zwischen-)Bilanz auf den Bewertungsstichtag erforderlich ist. In der VA haben Sie dem Grunde nach gem. §§ 95-97 BewG alle zum ertragsteuerlichen BV gehörenden WG und sonstigen aktiven Ansätze abzgl. der dazu gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (R B 11.5 Abs. 2 ErbStR) unter Berücksichtigung der “Feinheiten” gem. R B 11.5 Abs. 3 und 4 ErbStR zu erfassen, und zwar der Höhe nach mit ihrem gemeinen Wert zum Bewertungsstichtag (R B 11.5 Abs. 5-9 ErbStR).
TIPP: In den vorangegangenen Prüfungsklausuren standen die Teilnehmenden regelmäßig vor der Herausforderung, dass keine Zwischenbilanz auf den Bewertungsstichtag vorlag, sondern eine VA auf den letzten Bilanzstichtag erstellt worden war, die den BV-Wert auf diesen Tag als Ausgangswert (R B 11.6 Abs. 2 ErbStR / R B 109.3 Abs. 2 ErbStR) auswies. In dieser Fallkonstellation sind die einzeln ausgewiesenen Wertansätze zu beurteilen, und es ist der Wert des Vermögens auf den Bewertungsstichtag unter vereinfachter Berücksichtigung der im Vermögen bis zum Bewertungsstichtag eingetretenen Veränderungen gem. R B 11.6 Abs. 3 Satz 2 ErbStR / R B 109.3 Abs. 3 Satz 2 ErbStR abzuleiten, indem entsprechende Korrekturen gem. R B 11.6 Abs. 3 Satz 2 ErbStR bzw. R B 109.3 Abs. 3 Satz 2 ErbStR vorgenommen werden.
Nach der Wertermittlung sind auf der Besteuerungsebene die Voraussetzungen für die Anwendung der sachlichen Steuerbefreiungen nach §§ 13a, 13c ErbStG zu prüfen, sofern begünstigungsfähiges Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 ErbStG vorliegt, d. h. BV i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bzw. Anteile an KapGes i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, wenn die Beteiligungsquote unmittelbar mehr als 25 % beträgt3. Liegt die Beteiligungsquote nicht über 25 %, gehören die Anteile damit auch nicht zum begünstigungsfähigen Vermögen. In der Klausurlösung ist dann das Fazit zu ziehen, dass eine weitere Begünstigungsprüfung entfällt.
a) Gesonderte Feststellung nach § 13b Abs. 10 ErbStG
Wie eingangs bereits dargestellt, umfassen die vorab vorzunehmenden gesonderten Feststellungen auch die Feststellungen nach § 13b Abs. 10 ErbStG, wenn die Feststellungen für die Erbschaft- und Schenkungsteuer von Bedeutung sind (§ 13b Abs. 10 Satz 1 ErbStG). Eine solche Feststellung ist nur dann nicht vorzunehmen, wenn kein begünstigungsfähiges Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 ErbStG vorliegt.
Die Details veranschaulicht die Mini-Klausur 2:
Mini-Klausur 2
SACHVERHALT: Am 17.6.2024 verstarb der in Mannheim wohnhafte Unternehmer Willibald Winzig (WW). Zu seinem Nachlass gehört u. a. die “Mannheimer Schraubenfabrik”, die WW auf seinem Grundstück in Mannheim, Neckarstr. 52, betrieb. Der vom FA zum Bewertungsstichtag zutreffend festgestellte gemeine Wert des BV beträgt 2.200.000 €. Zum BV gehört das im Februar 2022 von Justus Schlau erworbene unbebaute Grundstück in Mannheim, Neckarstr. 53. WW hatte das Grundstück mit einer Fläche von 800 m2 für 190.000 € mit dem langfristigen Ziel erworben, seine Produktionshalle zu erweitern. Der gesondert festgestellte Grundbesitzwert zum Bewertungsstichtag beträgt 210.000 €. Gegenwärtig wird das Grundstück für monatlich 900 € an die Stadt Mannheim vermietet, die die Fläche als Abstellplatz für Wertstoffbehälter nutzt. In dem Büro des WW stand die Skulptur “Der Schrauber”. Diese hatte er im Dezember 2022 zufällig in einer Galerie entdeckt, für 1.500 € erworben und in sein Unternehmen eingelegt. Zum Besteuerungszeitpunkt betragen die Finanzmittel (FiMi) 520.000 € und die Schulden 105.000 €. Zur Sicherung seines Lebensunterhalts tätigte WW im Jahr 2024 wie auch in den Vorjahren bis zu seinem Tod Entnahmen i. H. von 7.500 € pro Monat.
AUFGABENSTELLUNG: Nehmen Sie die gesonderten Feststellungen nach § 13b Abs. 10 ErbStG vor. Ermitteln Sie den steuerpflichtigen Wert des BV.
LÖSUNG:
FiMi (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG) Junge FiMi (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG): Einlagen innerhalb der letzten zwei Jahre 0 € ./. Entnahmen innerhalb der letzten zwei Jahre (7.500 € / Monat =) 180.000 € Entnahmen > Einlagen → keine jungen FiMi | 520.000 € |
Schulden (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG) | 105.000 € |
Verwaltungsvermögen (VV) gem. § 13b Abs. 4 ErbStG: | |
| 210.000 € |
| 1.500 € |
Festzustellender Wert VV: | 211.500 € |
Junges VV (§ 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG): Skulptur, da dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen | |
Festzustellender Wert junges VV: | 1.500 € |
nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dienend |
b) Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens
Liegt dem Grunde nach begünstigungsfähiges Vermögen vor, ist weiter zu prüfen, wie hoch der Anteil des VV ist. Ergibt die Prüfung i. S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG, dass der Anteil des gemeinen Werts des VV i. S. des § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG am gemeinen Wert des begünstigungsfähigen Vermögens unter 90 % liegt, ist das begünstigungsfähige Vermögen grundsätzlich begünstigt, da kein übermäßiges VV vorliegt. Im umgekehrten Fall, wenn also der Anteil des VV bei mind. 90 % liegt, ist das begünstigungsfähige Vermögen kein begünstigtes Vermögen, da übermäßiges VV vorliegt; hier entfällt also eine weitere Begünstigungsprüfung. Liegt grundsätzlich begünstigtes Vermögen vor, ist sodann das begünstigte und zuletzt das steuerpflichtige Vermögen zu ermitteln.
TIPP: Gehen Sie bei der Ermittlung des begünstigten Vermögens und des steuerpflichtigen Vermögens strikt nach dem in R E 13b. 9 Abs. 2 ErbStR vorgegebenen Ermittlungsschema vor. Damit werden Sie durch jeden einzelnen Berechnungsschritt geführt. Sie müssen sich nur konsequent daran halten. Die vorab vorzunehmenden gesonderten Feststellungen nach § 13b Abs. 10 ErbStG sind Ihnen dabei eine unerlässliche Hilfe!
Nach der Ermittlung des begünstigten Vermögens ist zu prüfen, welche der folgenden Begünstigungsvorschriften konkret Anwendung findet:
- Vorwegabschlag für Familienunternehmen, sofern die Voraussetzungen nach § 13a Abs. 9 ErbStG vorliegen;
- bei einem Wert des (erwerberbezogenen) begünstigten Vermögens von nicht mehr als 26 Mio. €4
- die Regelverschonung mit dem Verschonungsabschlag von 85 % (§ 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG) und ggf. dem Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 ErbStG) oder
- die Optionsverschonung mit dem Verschonungsabschlag von 100 % (§ 13a Abs. 10 Satz 1 Nr. 1 ErbStG), wenn das VV i. S. des § 13a Abs. 10 Satz 2 und 3 ErbStG nicht mehr als 20 % beträgt.
- für Großerwerbe (über 26 Mio. € begünstigtes Vermögen)
- das Abschmelzmodell gem. § 13c ErbStG oder
- die Verschonungsbedarfsprüfung gem. § 28a ErbStG.
TIPP: In der Prüfungsklausur dürfte die Regel- oder die Optionsverschonung schwerpunktmäßig Anwendung finden.
Mini-Klausur 2 - Fortführung
LÖSUNG:
Ansatz des (Gewerbetrieb gem. § 95 Abs. 1 BewG) für erbschaftsteuerliche Zwecke mit dem nach § 12 Abs. 5 ErbStG i. V. mit § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG auf den Bewertungsstichtag gesondert festgestellten Werts i H. von 2.200.000 €.
I. | 90 %-Test, § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG gem. den Gleich lautenden Erlassen v. 19.6.2024 5 | ||
Festgestellter Wert der FiMi (inkl. junger FiMi) | 520.000 € | ||
./. Junge FiMi (hier nicht vorhanden) | -- | ||
= Zwischenwert I | 520.000 € | ||
./. Festgestellter Wert Schulden | 105.000 € | ||
= Zwischenwert II | 415.000 € | ||
+ Festgestellter Wert junge FiMi | 0 € | ||
= Im Rahmen des 90 %-igen Tests anzusetzender Wert der FiMi | 415.000 € | ||
+ Festgestellter Wert sonstiges VV (inkl. junges VV) | 211.500 € | ||
= VV für den 90 %-igen Test | 626.500 € | ||
VV-Quote: 626.500 € / 2.200.000 € = 28,5 % → VV-Quote (< 90 %), kein übermäßiges VV; Begünstigung ist möglich | |||
II. | Berechnung des begünstigten Vermögens | ||
II.1 | FiMi-Test i. S. des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG | ||
Festgestellter Wert FiMi (keine jungen FiMi) | 520.000 € | ||
./. Festgestellter Wert Schulden | 105.000 € | ||
= Saldo | 415.000 € | ||
./. Sockelbetrag, 15 % des festgestellten BV-Werts v. 2.200.000 € (Sockelbertrag ist anzuwenden, § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 4 ErbStG) | 330.000 € | ||
= Verbleibender Wert FiMi (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG) | 85.000 € | ||
II.2 | Entfällt, da keine verbleibenden Schulden | ||
II.3 | Nettowert des VV | ||
Festgestellter Wert VV (§ 13 Abs. 4 Nr. 1 und 3 ErbStG) | 211.500 € | ||
./. Festgestellter Wert junges VV | 1.500 € | ||
+ Verbleibender Wert FiMi lt. II.1 (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG) | 85.000 € | ||
= Nettowert VV | 295.000 € | ||
II.4 | Steuerpflichtiger Wert des VV | ||
II.4.1 | Berechnung der BMG des unschädlichen VV (§ 13b Abs. 7 ErbStG) | ||
Festgestellter BV-Wert | 2.200.000 € | ||
./. Nettowert VV (II.3) | 295.000 € | ||
./. Festgestellter Wert junges VV | 1.500 € | ||
= BMG für das unschädliche VV | 1.903.500 € | ||
II.4.2 | Gekürzter Nettowert des VV | ||
Nettowert des VV (II.3) | 295.000 € | ||
./. 10 % x BMG für das unschädliche VV (II.4.1) | 190.350 € | ||
= gekürzter Nettwert des VV | 104.650 € | ||
II.4.3 | Berechnung des steuerpflichtigen Werts des VV | ||
Gekürzter Nettowert des VV (II.4.2) | 104.650 € | ||
+ Festgestellter Wert junges VV | 1.500 € | ||
= Steuerpflichtiger Wert VV (nicht begünstigtes Vermögen) | 106.150 € | ||
II.5 | Begünstigtes Vermögen (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG) | ||
Festgestellter BV-Wert | 2.200.000 € | ||
./. Steuerpflichtiger Wert VV (II.4.3) | 106.150 € | ||
= Begünstigtes Vermögen | 2.093.850 € | ||
III. | Vorwegabschlag, § 13a Abs. 9 ErbStG - entfällt | ||
IV. | Steuerpflichtiges Vermögen | ||
Begünstigtes Vermögen (II.5.) | 2.093.850 € | ||
Anwendung der Regel- oder Optionsverschonung: Antrag auf Optionsverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG möglich, wenn das begünstigungsfähige Vermögen nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht zu mehr als 20 % aus VV nach § 13b Abs. 3 und Abs. 4 ErbStG besteht (§ 13a Abs. 10 Satz 2 und 3 ErbStG). | |||
VV gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 und 3 ErbStG (inkl. junges VV) | 211.500 € | ||
+ FiMi gem. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG | 85.000 € | ||
= VV insgesamt | 296.000 € | ||
296.500 € / 2.200.000 € x 100 % = 13,48 % < 20 %; Antrag auf Optionsverschonung kann gestellt werden. | |||
./. Verschonungsabschlag 100 % (§ 13a Abs. 10 Satz 1 Nr. 1 ErbStG) | 2.093.850 € | ||
=Saldo | 0 € | ||
+ Steuerpflichtiger Wert VV (II.4.3) | + 106.150 € | ||
Steuerpflichtiges BV | 106.150 € |
In den letzten zwei Jahren wurde die Bewertung von Grundvermögen nicht in der schriftlichen Steuerberaterprüfung thematisiert. Damit wurden auch die seit 1.1.2023 geltenden neuen Bewertungsregeln noch nicht abgeprüft. Folglich ist in der Erbschaftsteuerklausur der schriftlichen Steuerberaterprüfung 2025 mit der Bewertung eines Grundstücks zu rechnen. Bislang waren i. R. der schriftlichen Steuerberaterprüfung in diesem Zusammenhang schwerpunktmäßig Grundstücke der Vermögensart “Grundvermögen” zu bewerten. Die hierfür anzuwendenden Bewertungsvorschriften gelten aber auch, wenn Betriebsgrundstücke i. S. des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG (i. R. des vereinfachten Ertragswertverfahrens bzw. der Substanzwertermittlung) einzeln zu bewerten sind (§ 99 Abs. 3 BewG).7
Ist eine Grundstücksbewertung vorzunehmen, muss auch hier Ihr Lösungsansatz mit der Hinführung zur konkreten Bewertung beginnen. Die einleitenden Standardformulierungen zur Bewertung von Grundstücken müssen Sie wiederum beherrschen.
Mini-Klausur 3
SACHVERHALT: Auf dem Grundstück, Grünauer Allee 12 in Berlin befindet sich ein Gebäude, das im September 2015 bezugsfertig war. Das Gebäude verfügt neben dem EG über ein 1.-3. OG mit je 200 m2 Wohn- bzw. Nutzfläche. Im EG betreibt Bäckermeister Brot seine Bäckerei. Er zahlt die für gewerbliche Nutzung übliche Miete von jährlich 67.200 € (ohne Nebenkosten). Für die sechs Wohnungen im 1.-3. OG mit einer Wohnfläche von jeweils 100 m2 liegt die jährliche Miete bei insgesamt 91.200 € (ohne Nebenkosten). Das Grundstück ist 1.000 m2 groß; der aktuelle Bodenrichtwert beträgt 850 €/m2.
AUFGABENSTELLUNG: Für Zwecke der ErbSt ist auf den Bewertungsstichtag 9.3.2024 der Grundbesitzwert gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festzustellen.
LÖSUNG: Das Grundstück gehört zum Grundbesitz i. S. des § 19 Abs. 1 BewG8 und ist die wiE der Vermögensart Grundvermögen (§ 2 BewG, § 70 Abs. 1, § 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG), für das für Zwecke der ErbSt gem. § 12 Abs. 3 ErbStG auf den Bewertungsstichtag (Todestag, § 11 i. V. mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) der Grundbesitzwert nach einem gesonderten Verfahren gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG festzustellen ist. In dem Feststellungsbescheid sind nach § 151 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BewG mit anzugeben
- die Art der wiE - bebautes Grundstück, gemischt genutztes Grundstück gem. § 180 Abs. 1 i. V. mit § 181 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 7 BewG (Rz. 8 AEBew JStG 2022), da weder die gewerblich genutzte Fläche mit (200 m2 / 800 m2 =) 25 % noch die zu Wohnzwecken genutzte Fläche mit (600 m2 / 800 m2 =) 75 % mehr als 80 % beträgt und somit weder ein Geschäfts- noch ein Mietwohngrundstück und auch kein EFH und ZFH bzw. Wohnungs- oder Teileigentum vorliegt;
- die Zurechnung - Erbe zu 1/1 gem. § 39 Abs. 1 AO, § 1922 BGB.
Gemäß § 157 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Grundbesitzwert nach den tatsächlichen Verhältnissen und den Wertverhältnissen zum Bewertungsstichtag festzustellen und gem. § 157 Abs. 3 i. V. mit den §§ 176 ff. BewG zu ermitteln. Die Bewertung richtet sich dabei grundsätzlich nach dem gemeinen Wert gem. §§ 9, 177 Abs. 1 BewG. Unter dem Blickwinkel der erstmaligen Anwendung der neuen Bewertungsvorschriften für Grundstücke dürfte spekulativ davon auszugehen sein, dass ein bebautes Grundstück im Ertrags- oder Sachwertverfahren zu bewerten ist. Im Folgenden werden daher die wesentlichen Eckpunkte bei der Bewertung nach diesen Verfahren erläutert.
a) Ertragswertverfahren nach §§ 184-188 BewG
Mini-Klausur 3 - Fortführung
LÖSUNG: Das gemischt genutzte Grundstück ist nach dem Ertragswertverfahren gem. § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG i. V. mit §§ 184-189 BewG zu bewerten, da sich eine übliche Miete ermitteln lässt.9 Dabei sind der Bodenwert und der Wert des Gebäudes (Gebäudeertragswert) gem. § 184 Abs. 1 BewG getrennt voneinander zu ermitteln. Beide Werte zusammen ergeben nach § 184 Abs. 3 Satz 1 BewG den Ertragswert des Grundstücks. Der Wert sonstiger baulicher Anlagen ist mit dem Ertragswert abgegolten (§ 184 Abs. 4 BewG).
TIPP: Für die Ermittlung des Grundbesitzwerts nach dem Ertragswertverfahren sollte stets das Ermittlungsschema in Rz. 16 AEBew JStG 2022 als konkrete Handlungsanleitung genutzt und die Klausurlösung konsequent danach aufgebaut werden. Zu beachten ist jedoch, dass Besonderheiten dort nicht abgebildet werden.
Besonderheiten, die bei der Bewertung nach dem Ertragswertverfahren zu beachten sind:
Bodenwert (§ 184 Abs. 2 i. V. mit § 179 BewG)
Regelmäßiger “Stolperstein” ist hier, dass die Geschossflächenzahl (GFZ) des zu bewertenden Grundstücks von der GFZ des Bodenrichtwertgrundstücks abweicht (R B 179.2 Abs. 1 Satz 7 ErbStR).
TIPP: Die Bodenrichtwertanpassung aufgrund unterschiedlicher GFZ ist beliebter Prüfungsstoff, da die Umrechnung mithilfe von R B 179.2 Abs. 2 ErbStR i. V. mit H B 179.2 Abweichende planungsrechtlich zulässige Geschossflächenzahl ErbStH vorgenommen werden kann.
Gebäudeertragswert (§ 185 BewG)
- Reinertrag des Grundstücks (= Rohertrag ./. Bewirtschaftungskosten), § 185 Abs. 1 BewG
- Beachten Sie bei der Ermittlung des Rohertrags insbesondere, dass gem.
- § 186 Abs. 1 BewG auf das am Bewertungsstichtag für zwölf Monate vertraglich vereinbarte Entgelt als Sollmiete abzustellen ist und umlagefähige Betriebskosten nicht anzusetzen sind.
- § 186 Abs. 2 BewG bei Leerstand, unentgeltlicher Überlassung, Eigennutzung sowie bei einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden vereinbarten Miete die übliche Miete anzusetzen ist (ohne umlagefähige Betriebskosten).
- Nicht gezahlte (werthaltige) Mieten stellen kurzfristige Forderungen dar, die bei den erbschaftsteuerlichen Berechnungen i. R. der Ermittlung des Vermögensanfalls als übriges Vermögen mit ihrem nach § 12 BewG ermittelten Wert anzusetzen sind.
- Bei den Bewirtschaftungskosten gem. § 187 Abs. 3 BewG i. V. mit Anlage 23 zum BewG ist eine detaillierte Kostenberechnung für die Verwaltungs- und Instandhaltungskosten sowie das Mietausfallwagnis vorzunehmen, und zwar getrennt nach Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung.10 Die Verwaltungs- und die Instandhaltungskosten für eine Wohnnutzung (mit Auswirkung auf die Instandhaltungskosten bei gewerblicher Nutzung) sind an den Verbraucherpreisindex gebunden und somit einer jährlichen Anpassung der Basiswerte in Anlage 23 zum BewG unterworfen11 (§ 187 Abs. 3 BewG).12
- Beachten Sie bei der Ermittlung des Rohertrags insbesondere, dass gem.
- Gebäudereinertrag (= Grundstücksreinertrag ./. Bodenwertverzinsung), § 185 Abs. 2 BewG
- Bei der Berechnung der Bodenwertverzinsung ist nach § 185 Abs. 2 Satz 3 BewG nur auf die Grundstücksfläche abzustellen, die einer dem Gebäude angemessenen Nutzung entspricht; ggf. müssen Sie noch eine Bodenwertermittlung für die notwendige Grundstücksfläche vornehmen.
- Bezüglich des anzuwendenden Liegenschaftszinssatzes dürfte aus der Erfahrung zurückliegender Prüfungsklausuren heraus davon auszugehen sein, dass im Sachverhalt kein Zinssatz vom örtlichen Gutachterausschuss (GA) vorgegeben sein wird (der ansonsten vorrangig zu verwenden wäre), sondern der entsprechende typisierte Liegenschaftszinssatz nach § 188 Abs. 2 Satz 2 BewG anzuwenden ist.
- Gebäudeertragswert (= Gebäudereinertrag x Vervielfältiger gem. Anlage 21), § 185 Abs. 3 BewG
- Nutzen Sie bei der Ermittlung der Restnutzungsdauer (RND) des Gebäudes (= wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer gem. Anlage 22 zum BewG ./. Alter am Bewertungsstichtag, § 185 Abs. 3 Satz 3 BewG) für die Bestimmung des Alters die Vereinfachungsregel gem. § 185 Abs. 3 Satz 4 BewG: Jahr des Bewertungsstichtags ./. Jahr der Bezugsfertigkeit = Alter des Gebäudes.13 Für ein noch nutzbares Gebäude nach § 185 Abs. 3 Satz 6 BewG beträgt die Mindest-RND 30 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer.
- Ist der Vervielfältiger aus Anlage 21 zum BewG nicht unmittelbar ableitbar, schätzen Sie diesen ggf., da eine Berechnung nach der der dort vorgegebenen Formel zu zeitaufwändig wäre.
- Ertragswert, § 184 Abs. 3, 4 BewG
- Bei einem negativen Gebäudereinertrag ist der Bodenwert als Mindestwert anzusetzen, und Außenanlagen sind mit dem Ertragswert abgegolten.
TIPP: Nutzen Sie für die Bewertung im Ertragswertverfahren das Anwendungsbeispiel in Rz. 17 AEBew JStG 2022 (Achtung: keine Aktualisierung!).
Mini-Klausur 3 - Fortführung
LÖSUNG:
Bodenwert (§ 184 Abs. 2 i. V. mit § 179 BewG) | ||
Grundstücksfläche 1.000 m2 x Bodenrichtwert 850 € / m2 = | 850.000 € | |
Gebäudeertragswert (§ 185 BewG) | ||
Auszugegen ist gem. § 185 Abs. 1 BewG vom Reinertrag des Grundstücks (=Rohertrag ./. Bewirtschaftungskosten): | ||
Gewerbenutzung | 67.200 € | |
+ Wohnnutzung | 91.200 € | |
Rohertrag | 158.400 € | |
./. Bewirtschaftungskosten gem. § 187 Abs. 2 und 3 BewG i. V. mit Anlage 23 zum BewG i. V. mit BMF-Schreiben v. 29.1.2024 14 für die | ||
Wohnungsnutzung: | ||
| 2.106 € | |
| 8.280 € | |
| 1.824 € | |
gewerbliche Nutzung: | ||
| 2.016 € | |
| 2.760 € | |
| 2.688 € | |
Bewirtschaftungskosten insgesamt | 19.674 € | ./.19.674 € |
Reinertrag des Grundstücks | 138.726 € | |
./. Bodenwertverzinsung Bodenwert | 850.000 € | |
x Liegenschaftszinssatz gem. § 188 Abs. 2 Satz 2 BewG | 4,5 % = | ./. 38.250 € |
Gebäudereinertrag | 100.476 € | |
x Vervielfältiger gem. Anlage 21 zum BewG (§ 185 Abs. 3 Satz 1 und 2 BewG) | 21,25 | |
Liegenschaftszinsatz: 4,5 % | ||
RND gm. § 185 Abs. 3 Satz 3 BewG: | ||
wirtschaftliche GND gem. Anlage 22 zum BewG: | 80 Jahre | |
./. Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag | ||
§ 185 Abs. 3 Satz 4 BewG = 2024 ./. 2015 = | 9 Jahre | |
RND (Mindest-RND gem. § 185 Abs. 3 Satz 6 BewG, 30 % von 80 Jahren = 24 Jahre; wird nicht überschritten) | 71 Jahre | |
Gebäudeertragswert | 2.135.115 € | |
+ Bodenwert | 850.000 € | |
Ertragswert (§ 184 Abs. 3 BewG) | 2.985.115 € |
Der Mindestwert gem. § 184 Abs. 3 BewG ist überschritten. Ein niedrigerer gemeiner Wert nach § 198 BewG wird nicht nachgewiesen. Der gesondert festzustellende Grundbesitzwert gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG beträgt damit 2.985.115 €.
b) Sachwertverfahren nach §§ 189 - 191 BewG
TIPP: Für die Ermittlung des Grundbesitzwerts nach dem Sachwertverfahren sollte stets das Ermittlungsschema in Rz. 43 AEBew JStG 2022 als konkrete Handlungsanleitung genutzt und die Klausurlösung konsequent danach aufgebaut werden. Zu beachten ist jedoch, dass Besonderheiten dort nicht abgebildet werden.
Besonderheiten, die bei der Bewertung nach dem Sachwertverfahren zu beachten sind:
Bodenwert (§ 189 Abs. 2 i. V. mit § 179 BewG)
Die Ausführungen zum Ertragswertverfahren gelten analog (s. o.).
Gebäudesachwert (§ 190 BewG)
- Durchschnittliche HK des Gebäudes (= RHK x Brutto-Grundfläche x Baupreisindex), § 190 Abs. 1 und 3 Satz 2 BewG
- Filtern Sie für die Bestimmung der Regelherstellungskosten (RHK) die notwendigen Parameter zur Grundstücks- und Gebäudeart und zum Gebäudestandard akribisch aus dem Sachverhalt heraus, um den richtigen Ausgangswert aus Anlage 24 Teil II. und III. zum BewG (aus den Normal-HK 2010) bestimmen zu können.
- Bezüglich der Brutto-Grundfläche dürfte davon auszugehen sein, dass Sie diese nicht selbst ermitteln müssen, sondern diese im Sachverhalt vorgegeben wird.
- Die RHK sind noch an die Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag mittels aktueller Baupreisindizes (differenziert nach Wohn- und Nichtwohngebäuden) gem. § 190 Abs. 4 BewG anzupassen.15
- Gebäudesachwert (= durchschnittliche HK x Regionalfaktor x Alterswertminderungsfaktor), § 190 Abs. 3 Satz 1 i. V. mit Abs. 5, 6 BewG
- Wird Ihnen im Sachverhalt kein Regionalfaktor vom örtlichen GA vorgegeben, ist der Regionalfaktor von 1,0 gem. § 190 Abs. 5 Satz 3 BewG anzuwenden.
- Bei der Ermittlung des Alterswertminderungsfaktors (= RND des Gebäudes am Bewertungsstichtag / wirtschaftliche GND gem. Anlage 22 zum BewG) nach § 190 Abs. 6 Satz 1 BewG ist dieser in der für den Stpfl. günstigsten Weise auf drei Nachkommastellen aufoder abzurunden (Rz. 53 Satz 2 AEBew JStG 2022). Für die Ermittlung der RND sind die “Feinheiten” analog zum Ertragswertverfahren gem. § 190 Abs. 6 Satz 3-6 BewG zu beachten (s. o.).
- Sachwert (= Bodenwert + Gebäudesachwert = vorläufiger Sachwert x Wertzahl), § 189 Abs. 3, 4 BewG
- Als Wertzahl ist gem. § 191 Satz 1 BewG der vom örtlichen GA ermittelte Sachwertfaktor anzusetzen. Wird Ihnen ein solcher Sachwertfaktor nicht zur Verfügung gestellt, ist dieser gem. § 191 Satz 2 BewG mithilfe der Anlage 25 zum BewG zu ermitteln. Da dies jedoch eine relativ (zeit-)aufwändige Ermittlung darstellt, dürfte in der Prüfungsklausur davon auszugehen sein, dass im Sachverhalt ein vom GA ermittelter Sachwertfaktor vorgegeben wird.
- Bauliche Außenanlagen sonstige Anlagen sind gem. § 189 Abs. 4 Satz 1 BewG regelmäßig mit dem Sachwert abgegolten. Beachten Sie aber, dass ein separater Wertansatz gem. § 189 Abs. 4 Satz 2 BewG immer dann vorzunehmen ist, wenn die baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen besonders werthaltig sind, d. h. deren Sachwerte bei einer überschl.gigen Berechnung 10 % des Gebäudesachwerts übersteigen (Rz. 60 Satz 3 f. AEBew JStG 2022). Verwenden Sie für die Ermittlung der Sachwerte üblicher Außenanlagen Rz. 61 AEBew JStG 2022.
TIPP: Nutzen Sie für die Bewertung im Sachwertverfahren das Anwendungsbeispiel in Rz. 44 AEBew JStG 2022 (Achtung: keine Aktualisierung!).
Mini-Klausur 4
SACHVERHALT: Ein EFH mit Keller, EG und OG sowie ausgebautem DG war 1999 errichtet worden. Das Gebäude hat eine Brutto- Grundfläche von 220 m2 und weist einen zeitgemäß gehobenen Gebäudestandard auf. Das Grundstück ist 800 m2 groß; der aktuelle Bodenrichtwert beträgt 450 €/m2. Der örtliche GA hat einen Sachwertfaktor von 1,3 mitgeteilt.
AUFGABENSTELLUNG: Für erbschaftsteuerliche Zwecke ist auf den Bewertungsstichtag 5.7.2024 der gesondert festzustellende Grundbesitzwert gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG zu ermitteln.
LÖSUNG: [Einleitungsteil …] Das EFH ist gem. § 182 Abs. 2 Nr. 3 BewG nach dem Vergleichswertverfahren gem. § 183 BewG zu bewerten. Da weder Vergleichspreise noch Vergleichsfaktoren vorliegen, muss die Bewertung gem. § 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG nach dem Sachwertverfahren gem. §§ 189-191 BewG vorgenommen werden. Dabei sind nach § 189 Abs. 1 BewG der Bodenwert und der Wert des Gebäudes (Gebäudesachwert) getrennt voneinander zu ermitteln. Beide Werte zusammen ergeben gem. § 189 Abs. 3 BewG den vorläufigen Sachwert des Grundstücks, der dann noch zur Anpassung an den gemeinen Wert mit einer Wertzahl gem. § 191 BewG zu multiplizieren ist. Außenanlagen und sonstige bauliche Anlagen sind mit dem Sachwert abgegolten; besonders werthaltige Anlagen liegen nicht vor (§ 189 Abs. 4 BewG).
Bodenwert (§ 189 Abs. 2 i. V. mit § 179 BewG) | ||
Grundstücksfläche 800 m2 x Bodenrichtwert 450 € / m2 = | 360.000 € | |
Gebäudesachwert (§ 190 BewG) | ||
Auszugehen ist von den RHK des Gebäudes = durchschnittliche HK je Flächeneinheit (§ 190 Abs. 1 Satz 1 und 2 BewG). RHK gem. § 190 Abs. 1 Satz 3 BewG, Anlage 24, Teil II., III. zum BewG Gebäudeart 1.11: freistehendes EFH mit Keller, EG und OG, DG ausgebaut, gehobener Ausstattungsstandard = Standardstufe 4 | 1.005 € / m2 | |
x Brutto-Grundfläche (§ 190 Abs. 3 Satz 2 BewG) | 220 m2 | |
x Baupreisindex (§ 190 Abs. 3 Satz 2 i. V. mit Abs. 4 BewG), für Wohngebäude 2024 s. BMF-Schreiben v. 30.01.2024 16) | 117,9 /100 | |
Durchschnittlicher HK des Gehäudes (§ 190 Abs. 3 Satz 2 BewG) | 393.336 € | |
x Regionalfaktor (§ 190 Abs. 3 Satz 1 i. V. Abs. 5 Satz 3 BewG) | 1,0 | |
x Alterswertminderungsfaktor (§ 190 Abs. 3 Satz 1 i. V. mit Abs. 6 Satz 1-3 BewG): | ||
wirtschaftliche GND gem. Anlage 22 zum BewG | 80 Jahre | |
./. Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag: 2024 - 1999 = | 25 Jahre | |
RND | 55 Jahre | |
(Mindest-RND nach § 190 Abs. 6 Satz 5 BewG ist überschritten: 30 % von 80 Jahren = 24 Jahre) x Verhältnis RND zu wirtschaftlicher GND: | ||
55 Jahre / 80 Jahre | 0,687 | |
Gebäudesachwert | 270.222 € | |
+ Bodenwert | 360.000 € | |
Vorläufiger Sachwert (§ 189 Abs. 3 Satz 1 BewG) | 630.222 | |
x Wertzahl (§ 191 Satz 1 BewG, lt. GA) | 1,3 | |
Sachwert (§ 189 Abs. 3 Satz 2 BewG) | 819.288 € |
Ein niedrigerer gemeiner Wert nach § 198 BewG wird nicht nachgewiesen. Der nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festgestellte Grundbesitzwert beträgt 819.288 €.
c) Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG
Ist im Klausursachverhalt ein durch ein Gutachten ermittelter Grundstückswert oder ein Kaufpreis für das Grundstück innerhalb eines Jahres vor bzw. nach dem Bewertungsstichtag angegeben, heißt das für Sie, dass Sie Ihren nach den Bewertungsvorschriften des BewG ermittelten Wert mit diesem Wert abgleichen müssen:
- Kann ein niedrigerer gemeiner Wert nach § 198 BewG nachgewiesen werden, ist dieser Wert anzusetzen.
- Ist der Wert höher, ist in der Lösung entsprechend darauf einzugehen.
Nach der Wertermittlung sind auf der Besteuerungsebene die Voraussetzungen für die Anwendung der sachlichen Steuerbefreiungen nach
- § 13 Abs. 1 Nr. 4a-Nr. 4c ErbStG für das selbst genutzte Familienheim bzw.
- § 13d ErbStG bei zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken
zu prüfen.
Grundsätzlich können diese Steuerbefreiungen bei einer wiE (z. B. einem Mietwohnhaus) auch nebeneinander anzuwenden sein. Bei zu unterschiedlichen Zwecken genutzten Grundstücken bezieht sich die Steuerbefreiung immer nur jeweils auf den Grundstücksteil, für den die entsprechenden Befreiungsvoraussetzungen vorliegen. Die Aufteilung eines zu unterschiedlichen Zwecken genutzten Grundstücks erfolgt im Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen (R E 13.3 Abs. 2 Satz 14 bzw. R E 13d Abs. 6 Satz 7 f. ErbStR). Greift keine Befreiungsvorschrift, weil nicht alle Voraussetzungen erfüllt sind, ist darauf in einer Negativabgrenzung in der Lösung mit entsprechender Begründung hinzuweisen.
a) Steuerbefreiung bei Übertragung des selbst genutzten Eigenheims
Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4a-Nr. 4c ErbStG wird das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Familienheim (R E 13.3 Abs. 2 Satz 1 ff. ErbStG) steuerfrei gestellt. Prüfen Sie bei einem Erwerb von Todes wegen
- durch den überlebenden Ehegatten, ob für diesen im Besteuerungszeitpunkt eine weitere Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken von Dauer (für die nächsten zehn Jahre) unterstellt werden kann (§13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG). Lässt der Sachverhalt darauf schließen, dass der überlebende Ehegatte beabsichtigt, in absehbarer Zeit seinen Lebensmittelpunkt z. B. ins Ausland zu verlegen, sollte auf die grundsätzliche Möglichkeit der Steuerbefreiung hingewiesen und dann dargelegt werden, warum diese keine Anwendung findet.
- durch Kinder, ob von einer unverzüglichen Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken ausgegangen werden kann und ob diese von Dauer (für die nächsten zehn Jahre) sein wird. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Steuerbefreiung auf eine Wohnfläche von 200 m2 begrenzt ist und damit eine über 200 m2 hinausgehende Fläche der ErbSt unterliegt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 und 5 ErbStG). Die Steuerbefreiung ist nur möglich, sofern keine Weitergabeverpflichtung gem. § 13 Abs 1 Nr. 4b Satz 2 f. und Nr. 4c Satz 2 f. ErbStG besteht. Liegt dagegen eine Weitergabeverpflichtung vor, ist das Grundstück klausursystematisch zunächst beim Erben in voller Höhe i. R. des Vermögensanfalls anzusetzen und dann in gleicher Höhe als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzuziehen.
b) Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke bzw. Grundstücksteile
Liegen die Voraussetzungen des § 13d Abs. 3 ErbStG vor, ist ein Befreiungsabschlag von 10 % auf den Grundbesitzwert gem. § 13d Abs. 1 ErbStG zu gewähren, sofern keine Weitergabeverpflichtung besteht (§ 13d Abs. 2 ErbStG, s. o.). Beachten Sie dabei insbesondere folgende “Feinheiten” (R E 13d Abs. 6 Satz 2 ff. ErbStR):
- Bei einem im Besteuerungszeitpunkt bestehenden zwischenzeitlichen (teilweisen) Leerstand (z. B. wegen Mieterwechsels, Modernisierung) kann der Abschlag in Anspruch genommen werden.
- Bei unentgeltlicher Überlassung ist der Abschlag hingegen nicht zu gewähren.

Dipl.oec.paed., Steuerberaterin, Berlin. Sie ist Dozentin für Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht und Bewertungsrecht und Ausbildungsleiterin bei Steuerlehrgänge Dr. Bannas, Köln.
Weitere kostenlose SteuerStud-Artikel
1 Vgl. dazu die Themenauswertung aller Prüfungsklausuren der letzten Jahre in SteuerStud-Ausgabe 3/2025; hier: zum Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht Lehmann, SteuerStud 3/2025 S. 191 NWB QAAAJ-82331. Diese Checkliste hilft Ihnen dabei, Wissenslücken zu „Dauerbrennern“ rechtzeitig aufzudecken, damit Sie diese bis zur schriftlichen Steuerberaterprüfung schließen können.
2 Beachten Sie bei der Wertermittlung von Beteiligungen an PersGes genau die in § 97 Abs. 1a BewG vorgegebene Schrittfolge sowie bei der Anteilswertermittlung bei KapGes den § 97 Abs. 1b BewG.
3 Poolbildung gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG möglich..
4 Inkl. weiterer Erwerbe begünstigten Vermögens innerhalb von zehn Jahren von derselben Person.
5 Vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 19.6.2024 - S 3812b, BStBl 2024 I S. 1081 NWB LAAAJ-70767.
6 Vgl. hierzu ausführlich Lehmann, SteuerStud 6/2024 S. 376 NWB UAAAJ-64874, zzgl. Übungsklausur, Beilage zu SteuerStud 6/2024 S. 18 NWB JAAAJ-64882.
7 Die Bewertungsregeln gelten auch, wenn bei der GrESt die Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu ermitteln ist.
8 Ab 1.1.2025 nach § 157 Abs. 1 Satz 1 BewG.
9 Lässt sich eine übliche Miete nicht ermitteln, muss das Grundstück nach dem Sachwertverfahren bewertet werden. Der Formulierungsvorschlag hierfür wäre: „Für das gemischt genutzte Grundstück kommt das Sachwertverfahren nach § 182 Abs. 4 Nr. 2 BewG i. V. mit §§ 189-191 BewG zur Anwendung, da eine übliche Miete nicht ermittelbar ist.“
10 Bei den Instandhaltungskosten für gewerbliche Nutzung ist auf die Einteilung der Gebäudearten in Anlage 24, Teil II. zum BewG zurückzugreifen.
11 Für 2024: Verbraucherpreisindex Oktober 2023 117,8 zu Oktober 2001 77,1 (vgl. BMF, Schreiben v. 29.1.2024 - IV D 4 - S 3224/23/10001 :002, BStBl 2024 I S. 191 NWB YAAAJ-58011).
12 Die Werte für die Instandhaltungskosten/m2 sind auf eine Nachkommastelle und bei den Instandhaltungskosten pro Garage o. ä. Einstellplatz sowie bei Verwaltungskosten kaufmännisch auf volle Euro zu runden.
13 Prüfen Sie im Fall durchgreifender Modernisierungen innerhalb der letzten zehn Jahre, ob diese zu einer Verlängerung der RND führen (§ 185 Abs. 3 Satz 5 BewG i. V. mit Rz. 21 AEBew JStG 2022). Beachten Sie bzgl. der RND bei bestehender Abbruchverpflichtung § 185 Abs. 3 Satz 7 BewG.
14 BMF, Schreiben v. 29.1.2024 - IV D 4 - S 3224/23/10001 :002, BStBl 2024 I S. 191 NWB YAAAJ-58011.
15 Für 2024: BMF, Schreiben v. 30.1.2024 - IV D 4 - S 3225/20/10001 :005, BStBl 2024 I S. 192 NWB QAAAJ-58232.
16 BMF, Schreiben v. 30.1.2024 - IV D 4 - S 3225/20/10001 :005, BStBl 2024 I S. 192 NWB QAAAJ-58232.