Steuerpflicht und Steuerentstehung - Steuerberaterprüfung
Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht
Zusammenfassung
Die Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht richtet sich nach dem Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten und dem Ort des Vermögens. "Inländer" im Sinne des Erbschaftsteuerrechts sind Personen mit Wohnsitz in Deutschland oder deutsche Staatsbürger, die nicht länger als fünf Jahre im Ausland leben bzw. für deutsche Behörden im Ausland tätig sind. Inländer unterliegen der unbeschränkten Steuerpflicht, das heißt, ihr weltweites Vermögen ist steuerpflichtig. Bei beschränkter Steuerpflicht - also bei Ausländern ohne Wohnsitz in Deutschland - wird nur das deutsche Inlandsvermögen besteuert. Freibeträge, Abzüge und Steuervergünstigungen sind bei beschränkter Steuerpflicht eingeschränkt.
Die Steuer entsteht bei Erbschaften mit dem Tod des Erblassers und bei Schenkungen mit der tatsächlichen Ausführung der Zuwendung (z. B. Überweisung, Grundbucheintrag). Der Zeitpunkt der Steuerentstehung ist zugleich der Bewertungsstichtag und relevant für Freibeträge, gesetzliche Änderungen und die Zurechnung früherer Schenkungen (10-Jahresfrist). Für die Steuerberechnung wird der steuerpflichtige Erwerb durch Abzug von Verbindlichkeiten und Anwendung von Freibeträgen sowie Bewertungsregeln ermittelt. Sonderfälle, wie aufschiebende Bedingungen oder Pflichtteilsverzichte, verschieben den Zeitpunkt der Steuerentstehung entsprechend.
Definition von “Inländern” im Erbschaftsteuerrecht
Der Begriff “Inländer” im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer ist gesetzlich in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 1a ErbStG geregelt und hat eine steuerrechtliche Bedeutung, die nicht immer mit dem allgemeinen Sprachgebrauch (z. B. Staatsangehörigkeit) übereinstimmt.
Inländer im Sinne des Erbschaftsteuerrechts sind:
- Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland im Moment, in dem die Steuer entsteht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG, § 9 ErbStG, § 8 und § 9 AO).
- Deutsche Staatsbürger, die nicht länger als fünf Jahre dauerhaft im Ausland gelebt haben, ohne in Deutschland einen Wohnsitz zu haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG).
- Deutsche Staatsbürger, die im Ausland leben, aber für eine deutsche öffentliche Einrichtung arbeiten (z. B. Mitarbeiter in Botschaften), gelten auch nach fünf Jahren im Ausland noch als Inländer - solange sie dort Arbeitslohn beziehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1c ErbStG).
Wer kein Inländer ist (Ausländer ohne Wohnsitz oder Aufenthalt in Deutschland), unterliegt im Regelfall nur der beschränkten Steuerpflicht (nur deutsches Inlandsvermögen ist steuerpflichtig).
Unbeschränkte Steuerpflicht
Personen, die als Inländer gelten, sind unbeschränkt steuerpflichtig. Das heißt, sie müssen das gesamte geerbte oder geschenkte Vermögen versteuern - egal, ob es im In- oder Ausland liegt. Zum versteuernden Vermögen gehören z. B. daher auch
- Bankkonten im Ausland
- Immobilien im Ausland
- Beteiligungen, Aktien oder Firmenanteile weltweit
Allerdings gibt es Anrechnungsmöglichkeiten für bereits im Ausland gezahlte Erbschaftsteuern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.
Beschränkte Steuerpflicht
Wenn weder der Erblasser noch der Erwerber in Deutschland wohnen oder ansässig sind, gilt die beschränkte Steuerpflicht. Folge: Es wird nur das inländische Vermögen besteuert. Dazu zählen (§ 121 BewG):
- Landwirtschaftliches oder forstwirtschaftliches Vermögen in Deutschland
- Grundstücke in Deutschland
- Betriebsvermögen deutscher Betriebe
- Anteile an einer deutschen Kapitalgesellschaft, wenn der Verstorbene oder Schenker zum Zeitpunkt der Übertragung mindestens 10 % (unmittelbar oder mittelbar) an der Gesellschaft beteiligt war (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, R E 2.2 Abs. 3 ErbStR)
Wichtig: Auch wenn eine mittelbare Beteiligung bei der 10 %-Grenze mitgerechnet wird, versteuert wird nur die unmittelbare Beteiligung.
Wenn es sich um eine Schenkung innerhalb von zehn Jahren handelt, reicht es aus, dass die 10 %-Grenze irgendwann in diesem Zeitraum erfüllt war - auch wenn sie beim aktuellen Vorgang unterschritten wird.
Die Auflistung im Gesetz ist abschließend, aber die genannten Punkte sind die häufigsten Fälle.
Abzüge und Freibeträge bei beschränkter Steuerpflicht
Die Steuerpflicht wird durch Freibeträge und Steuerklassen abgemildert, z. B.:
- Bestattungskosten können pauschal oder nachgewiesen abgezogen werden (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG; R 10.9 Abs. 4 ErbStR).
- Schulden werden nur berücksichtigt, wenn sie einen Bezug zu deutschem Vermögen haben (§ 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG).
- Freibeträge nach § 16 Abs. 1 ErbStG werden gekürzt - es zählt nur der Teil des Nachlasses, der unter die beschränkte Steuerpflicht fällt (§ 16 Abs. 2 ErbStG).
- Ein Versorgungsfreibetrag wird nur dann gewährt, wenn Deutschland mit dem letzten Wohnsitzstaat des Erblassers ein entsprechendes Amtshilfeabkommen hat (§ 2 Abs. 11 EU-Amtshilfegesetz).
- Begünstigungen für Betriebsvermögen (§§ 13a bis 13c ErbStG) und für bestimmte Anteile an Kapitalgesellschaften (§ 13d ErbStG) gelten auch bei beschränkter Steuerpflicht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Steuerpflicht kann durch das Außensteuergesetz (§ 4 AStG) ausgeweitet werden. Umgekehrt kann sie durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt werden. Allerdings gibt es im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur sehr wenige solcher Abkommen.
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Zeitpunkt der Entstehung der Steuer
Die Erbschaftsteuer entsteht also sofort mit dem Tod der vererbenden Person, unabhängig davon, wann das Erbe tatsächlich angenommen oder ausbezahlt wird (§ 9 ErbStG). Die Schenkungsteuer entsteht in dem Moment, in dem der Beschenkte wirtschaftlich über das Geschenk verfügen kann, also die Schenkung tatsächlich vollzogen ist (ebenfalls § 9 ErbStG). Der Tag der Steuerentstehung ist auch der Stichtag für die Bewertung (§ 11 ErbStG).
Beispiele für den Zeitpunkt der Ausführung bei einer Schenkung:
Art der Schenkung | Entstehung der Steuer |
Geldschenkung | Bei tatsächlicher Übergabe oder Überweisung |
Übertragung eines Grundstücks | Mit Eintragung ins Grundbuch |
Schenkung von GmbH-Anteilen | Mit Abtretung der Anteile (zivilrechtlich wirksam) |
Schenkung unter einer Auflage | Mit Ausführung der Zuwendung. Die Auflage mindert nur den Wert. |
Zur Grundstücksschenkung:
Bei Grundstücksschenkungen gilt die Schenkung als ausgeführt, sobald die Auflassung (Übereignung) und die Eintragungsbewilligung erfolgt sind (R E 9.1 ErbStR). Wenn zusätzlich eine behördliche oder vertragliche Genehmigung erforderlich ist, zählt erst der Zeitpunkt der Genehmigung (R E 9.1 Abs. 3 ErbStR). Das gilt auch für sogenannte mittelbare Grundstücksschenkungen (R E 9.1 Abs. 2 ErbStR).
Besondere Fälle der Steuerentstehung:
- Bei Erwerben unter aufschiebender Bedingung oder Frist (z. B. wenn jemand erst nach einem bestimmten Ereignis erbt), entsteht die Steuer erst, wenn dieses Ereignis eintritt (§ 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG).
- Wird ein Pflichtteil eingefordert, entsteht die Steuer erst mit der Geltendmachung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG).
- In Fällen nach § 3 Abs. 2 ErbStG, bei denen der Erwerb rechtlich erst später erfolgt, verschiebt sich auch der Bewertungs- und Steuerentstehungszeitpunkt entsprechend.
- Eine Steuerpflicht für eine Abfindung wegen Pflichtteilsverzicht oder eine Erbausschlagung entsteht mit dem jeweiligen Verzicht (§ 9 Abs. 1 Nr. 1f ErbStG).
Warum ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung wichtig?
Der Zeitpunkt der Steuerentstehung entscheidet über:
- Die Rechtslage, die gilt (z. B. bei Gesetzesänderungen)
- Den Wert des Vermögens (Bewertungsstichtag = Entstehungstag)
- Die Zurechnung bei vorherigen Schenkungen innerhalb von 10 Jahren (§ 14 ErbStG)
- Die persönlichen Verhältnisse, z. B.:
- Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt
- Familienstand (für Freibeträge)
- Beginn von Fristen (z. B. für Verjährung)
Aufbau einer Lösung zur Ermittlung der Erbschaftsteuer (bei unbeschränkter Steuerpflicht):
- Steuerpflicht feststellen: Der Erbe ist Inländer: unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Es wird das gesamte Vermögen - im In- und Ausland - besteuert.
- Art des Erwerbs prüfen: Erwerb von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) durch Erbanfall (§ 1922 BGB), Verweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
- Zeitpunkt der Steuerentstehung bestimmen: Der Todestag ist gleich Bewertungsstichtag (§ 11, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
- Steuerklasse zuordnen: Bestimmung nach § 15 ErbStG (je nach Verwandtschaftsverhältnis).
- Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs
- Zuerst wird die Bereicherung berechnet: Wert des Vermögens minus Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 1 ErbStG).
- Die Bewertung erfolgt nach § 12 ErbStG und orientiert sich an der Art des Vermögens (z. B. land- und forstwirtschaftlich, Immobilien, Betriebe, sonstiges).
- Steuerbefreiungen (§§ 13-13d ErbStG) werden abgezogen.
- Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 5 ErbStG) werden ebenfalls nach den allgemeinen Bewertungsregeln (§§ 1-16 BewG) berücksichtigt (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, § 12 Abs. 1 ErbStG).
- Danach werden die persönlichen Freibeträge (§§ 5, 16, 17 ErbStG) abgezogen.
- Schenkungen der letzten 10 Jahre (§ 14 ErbStG) werden ggf. hinzugerechnet.
Das Ergebnis ist der steuerpflichtige Erwerb. Dieser wird auf volle 100 € abgerundet (§ 10 Abs. 1 Sätze 1 und 6 ErbStG).