Verluste in der Einkommensteuer - Steuerberaterprüfung
Einkommensteuer
Verluste spielen im Steuerrecht eine zentrale Rolle. Das mag zunächst widersprüchlich klingen, denn Verluste bedeuten in der Regel etwas Negatives. Doch im Steuerrecht können Verluste ein Vorteil sein: Sie senken die Steuerlast oder führen sogar dazu, dass keine Steuern gezahlt werden müssen.
Steuerberater sehen Verluste daher nicht als Problem, sondern oft als nützliches Instrument. Besonders bei Unternehmen, etwa bei Umstrukturierungen oder Sanierungen, ist es wichtig, bestehende Verluste zu erhalten, um sie später steuerlich nutzen zu können.
Im deutschen Steuerrecht basiert der Umgang mit Verlusten auf dem sogenannten objektiven Nettoprinzip. Dieses Prinzip besagt: Die Steuer soll sich nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit richten - also danach, was nach Abzug der Verluste übrig bleibt.
Verluste in der Einkommensteuer sind auch ein zentrales Thema der Steuerberaterprüfung und betreffen insbesondere die Verlustverrechnung nach § 10d EStG. In der schriftlichen Prüfung und auch im mündlichen Teil des StB-Examens sind neben dem grundsätzlichen System auch Sonderfälle wie Anlaufverluste, die Behandlung von Mitunternehmerverlusten oder Verlustnutzung bei Betriebsveräußerung prüfungsrelevant.
Arten der Verlustverrechnung
Es gibt zwei Arten von Verlustverrechnung:
- Innerhalb eines Jahres (innerperiodisch)
- Zwischen verschiedenen Jahren (interperiodisch)
Nachfolgend gehen wir auf die unterschiedlichen Arten ver Verlustverrechnung ein.
Innerperiodische Verlustverrechnung
Im gleichen Jahr können Verluste mit Gewinnen verrechnet werden. Dabei unterscheidet man:
- Horizontaler Verlustausgleich: Verluste und Gewinne innerhalb derselben Einkunftsart (z. B. Gewerbebetrieb) werden miteinander verrechnet.
- Vertikaler Verlustausgleich: Verluste aus einer Einkunftsart (z. B. Vermietung) werden mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten (z. B. selbstständige Tätigkeit) verrechnet.
Die Einkommensteuer kennt sieben Einkunftsarten:
- Nichtselbstständige Arbeit
- Selbstständige Arbeit
- Gewerbebetrieb
- Land- und Forstwirtschaft
- Kapitalvermögen
- Vermietung und Verpachtung
- Sonstige Einkünfte (z. B. Renten)
Die Verrechnung ist aber nur möglich, wenn eine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Tätigkeiten ohne diese Absicht - z. B. sogenannte "Liebhaberei" - werden steuerlich nicht berücksichtigt. In solchen Fällen kann das Finanzamt eine Prognoserechnung verlangen. Wichtig: Verluste aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 6 Satz 1 EStG) dürfen nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen verrechnet werden.
Interperiodische Verlustverrechnung
Wenn Verluste nicht im selben Jahr mit Gewinnen ausgeglichen werden können, ist eine Verrechnung über mehrere Jahre möglich (§ 10d EStG):
- Verlustrücktrag: Verluste werden ins vorherige Jahr zurückgetragen.
- Verlustvortrag: Verluste werden in künftige Jahre vorgetragen.
Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 EStG)
- Verluste werden auf das direkt vorherige Jahr übertragen.
- Ab 2024 gelten Höchstbeträge:
- 1 Mio. Euro bei Einzelveranlagung
- 2 Mio. Euro bei Zusammenveranlagung
- Hat Vorrang vor Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen.
- Rücktrag auf zwei Jahre ist zulässig, wenn im Vorjahr kein voller Ausgleich möglich ist.
- Ein teilweiser Verzicht ist nicht mehr erlaubt - nur ein vollständiger.
Verlustvortrag (§ 10d Abs. 2 EStG)
- Verluste, die nicht zurückgetragen wurden, werden in die kommenden Jahre übertragen.
- Der Verlustvortrag ist:
- bis 1 Mio. Euro (bzw. 2 Mio. Euro bei Ehepaaren) unbeschränkt möglich
- über diese Beträge hinaus: nur bis zu 70 % des darüber liegenden Einkommens
- Es gibt keine zeitliche Begrenzung für den Verlustvortrag.
- Verluste werden am Jahresende gesondert festgestellt (§ 10d Abs. 4 EStG).
Verlustausgleich bei Ehegatten
Bei Ehepaaren mit Zusammenveranlagung gelten besondere Regeln:
- Verluste eines Ehepartners können zuerst mit seinen eigenen Gewinnen verrechnet werden (vertikal).
- Danach erfolgt ein Ausgleich mit dem Einkommen des anderen Ehepartners.
- Bleiben danach noch Verluste übrig, werden diese für den Verlustvortrag gesondert festgestellt.
- Verluste vor der Eheschließung bleiben dem jeweiligen Ehepartner zugeordnet.
Bei einem Todesfall:
- Die Verluste des Verstorbenen können nur bis zum Todesjahr berücksichtigt werden.
- Ein Verlustrücktrag in frühere Jahre ist möglich, wenn zuvor eine Zusammenveranlagung bestand.
- Der überlebende Ehepartner kann nur seine eigenen Verluste künftig nutzen.
Verlustfeststellung (§ 10d Abs. 4 EStG)
Wenn Verluste in einem Jahr nicht verrechnet werden können, stellt das Finanzamt diese am Jahresende fest:
- Diese Verlustfeststellung ist Voraussetzung für den späteren Verlustvortrag.
- Sie wird in einem eigenständigen Bescheid dokumentiert, der separat anfechtbar ist.
- Die Feststellungsfrist endet erst mit der Festsetzungsfrist des Jahres, für das der Verlust festgestellt wird.
Einschränkungen bei der Verlustverrechnung
Nicht alle Verluste dürfen beliebig verrechnet werden:
- Kapitalvermögen: Verluste können nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden (§ 20 Abs. 6 EStG).
- Private Veräußerungsgeschäfte: Verluste aus z. B. Immobilienverkäufen nach § 23 EStG dürfen nur mit Gewinnen aus solchen Geschäften verrechnet werden.
- Für solche "Sonderfälle" gibt es eigene Verrechnungskreise.
Das bedeutet: Die Verrechnung bleibt innerhalb eines bestimmten Bereichs und überschreitet nicht die Einkunftsart.
Verlustverrechnungskreise und Spezialregelungen
Manche Einkünfte - wie solche aus bestimmten Beteiligungen (§ 15 Abs. 4 EStG) oder privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG) - gehören zu sogenannten Verlustverrechnungskreisen. Verluste aus diesen Bereichen dürfen nur innerhalb desselben Kreises verrechnet werden.
Auch hier gilt:
- Die Verlustverrechnung ist auf die Höchstbeträge nach § 10d Abs. 2 EStG begrenzt.
- Die Regelungen aus dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 29.11.2004 sind zu beachten.
Die Verrechnung von Verlusten im Steuerrecht ist ein komplexes, aber wichtiges Instrument. Sie sorgt dafür, dass Steuerzahler nur auf tatsächlich verfügbares Einkommen Steuern zahlen - und nicht auf rechnerische Gewinne, bei denen Verluste unberücksichtigt bleiben.
Verluste können:
- innerhalb eines Jahres (horizontal oder vertikal),
- oder über mehrere Jahre hinweg (durch Rücktrag oder Vortrag)
verrechnet werden. Dabei gelten bestimmte Regeln, Grenzen und Voraussetzungen, die genau beachtet werden müssen - sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen.